Montag, 09.08.2010, 18:02:44, Raudondvaris, countryside cottage :: Dienstag, 10.08.2010, 17:13:38, Nachträge
Aufatmen?
Heute ist der erste Tag, an dem man sich für längere Zeit freiwillig ins Freie traut, ohne fürchten zu müssen, dass einem der Kreislauf den Rückweg versperrt. Es ist fast kühl, wolkig und damit hatten wir Gelegenheit, unseren ersten kleinen Ausflug zu machen. Der führte uns zum x-ten mal zum Europos Centras, dem geografischen Mittelpunkt wohl gemerkt. Und zum dortigen Golfplatz.
Dass es mehrere derartige Mittelpunkte gibt, hatte ich ja schon mal beschrieben: In der Ukraine, in Polen und eben in Litauen. Das hier, ca. 15 km nördlich von Raudondvaris, ist wohl nach modernen Messmethoden das derzeit wahre Zentrum; unter Einbeziehung der Kanaren, aber unter Ausschluss der Insel Malta. Warum das so entschieden wurde, verrät uns das Faltblatt nicht, aber hätte man diese Insel, die ja nun immerhin auch EU-Mitglied ist, berücksichtigt, so hätte das den Nabel Europas um nur 100 Meter verschoben, würde ihn also nur innerhalb Litauens verschieben. Und das ist entscheidend.
Von der Bedeutung der flächenmässigen Grösse einmal abgesehen, darf Litauen nun doch für sich beanspruchen, einen der bedeutendsten Astronomen, Geodäten und Weltvermesser in seinen Grenzen beheimatet zu haben: Friedrich Georg Wilhelm Struve, 1793 in Altona (damals noch nicht Hamburg!) geboren, wirkte hier (vor allem an den Universitäten Tartu, damals Dorpat, und Vilnius) und triangulierte den nach ihm benannten Struwe-Bogen, eine Vermessungskette, die vom äussersten Norden Norwegens bis in den äussersten Süden der Ukraine reicht (wir fahren da demnächst vorbei!), 2.822 km lang ist und aus 258 Dreiecken und 265 ausgezeichneten Messpunkten besteht.
Zweck des ganzen, in der Tat erheblichen Aufwands? Die Bestimmung der Krümmungsradien unserer guten Mutter Erde und damit ihrer wahren Form. Dass sie mit einer Kugel nur entfernt etwas zu tun hat, das postulierte schon Newton 1687, als er aufgrund der von ihm entdeckten Schwerkraft und der Erdrotation eher auf einen Elipsoiden tippte. Die damals erzielte Genauigkeit der Messungen erstaunt: Abweichungen von 4 mm auf 1 km; was Struwe da ablieferte waren die präzisesten Messungen dieser Zeit, die Friedrich Wilhelm Bessel dann u.a. zur Berechnung der Elipsoidparameter übernahm. Bessel sass, nebenbei bemerkt, im preussischen Königsberg, also »um die Ecke«. Mit befasst waren auch Carl F. Tenner, bei Narva geborener Offizier des Zaren und Soldaten der zaristischen Armee. Eine richtig multinationales Projekt also.
Jo. Das erfährt man also im Nachgang zum Besuch dieses europäischen Nabels. Dass man bei der Gelegenheit auch noch die eine oder andere Ansichtskarte von hier aus in die Welt schickt ist zwar old-fashioned aber doch irgendwie reizvoll.
Der Golfplatz
Eben. Der musste es natürlich auch wieder sein. Ich bin ja kein Mitglied der Generation Golf. Das liegt einerseits natürlich am Alter aber andererseits kann ich der Arbeit, mit völlig missglückten Replikaten von Minigolfschlägern einen kleinen weissen Ball in die Gegend zu schlagen um dann mit dem Elekrowagen hinterher zu fahren, rein gar nichts abgewinnen.
Da trinken wir dann doch lieber in Ruhe unseren Capucchino, nutzen das WiFi und löffle ich mein Eis, das trotz entsprechender Beauftragung ohne wipped cream kam; kein Verlass, selbst auf renomiertem Gelände nicht 😉
Senfle schliesst Freundschaft…
…und das unterstützen wir natürlich uneingeschränkt.
Und noch ein Abend in Vilnius
Wir haben Nachholbedarf. Nach städtischer Infrakultur sozusagen. Und daher gab’s am Abend dann noch einen Rundgang, um nach dem Rechten zu sehen sozusagen. Und es ist alles ok., Vilnius ist renovierter denn je; verglichen mit den Zuständen von vor 15 Jahren (ja, so lange ist das bei mir jetzt auch schon her) allemal, aber auch gegenüber 2008 hat sich noch mal einiges getan. Und deshalb müssen wir dann doch am Dienstag Abend gleich nochmal hin. Diesmal aber mit Kamera…
Nachtrag:
2010.08.10, 17:07 :: Der Dienstag ist schon wieder schwül…
Links:
- Broschüre: Struve Geodetic Arc
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So schlecht ist Golf spielen nicht. Ich hab’s mal betrieben in Irland damals. Man sollte in Gesellschaft sein, dann ist es lustig. Allerdings konnte ich es nicht leiden, wenn irgendwelche Ehrgeizlinge dabei waren, die ständig besser sein wollten.
Aber wie gesagt, das Spiel als solches – nicht schlecht. Man ist den ganzen Tag im Freien und damit auch ganz schön ausgehungert.
Zeit braucht man dazu. Mal schnell eine Runde Golf spielen geht nicht.
Macht’s gut.
Günther