* Europa2010: 54. Tag, Purcari – Odessa

Donnerstag, 26.08.2010

Freitag, 27.08.2010, 00:03:54 :: Odessa, Hotel Frapolli

Vorbemerkung: Der Beitrag davor folgt!

Herrscher auf Schloss Purcari

In Purcari hätten wir es schon noch ein paar Tage aushalten können. Abgesehen davon, dass wir die einzigen Gäste, sozusagen die »Schlossherrschaft« waren, ist die Anlage schön gelegen, ruhig zwischen den Weinbergen; vielleicht eine Spur zu kitschig…

Nach der Gewalttour gestern hätte uns das auch gut getan. Aber der Zeitplan ist eh‘ schon durcheinander, deshalb: Zahlen! Vor zehn Minuten hätte alles noch funktioniert, jetzt sein in der Gegend der Strom ausgefallen, daher Kartenzahlung nicht möglich. Sie macht einen verzweifelten Eindruck, die Dame im Weinverkauf und Empfang. Bargeld? Natürlich nicht in dieser Menge. Also legen wir das Gepäck ab und machen es uns gemütlich. So lange der Laptop noch Strom hat, kann ich auch ein wenig tippen.

Plötzlich ein Schrei von Lis durch die Halle: »Komm schnell, es tut gerade!«. Geldbeutel raus, Griff nach der VISA-Karte – ein Griff ins Leere, sie fehlt. Weg, nicht da. Alle anderen Karten stecken, wo sie hingehören. Nicht aber das finale Zahlungsmittel für die Gegend, meine VISA-Karte. Such, such, such. Sie ist weg. Die hochgelobte und moderne Mastercard verweigert sich nämlich allen Bankomaten und Cashsystemen in der Ukraine, teils in Rumänien und natürlich in Moldawien. Lis hat ebenfalls eine VISA, die tut’s dann. Aber wo ist meine!!!???

Es bleibt nur der Schluss: Ich habe sie gestern Abend im Bankomaten der Agrobank im gottverlassenen Anenii Noi, 18:49 Uhr, ich hab’s schwarz auf weiss, dort habe ich stecken lassen. Der Stress mit nicht akzeptierter Mastercard, unsäglichem Durst, Hitze, Zeitdruck – es war wohl zu viel.

Handy raus, Frankfurt anrufen, VISA-Karte sperren lassen. Danke, sie schicken mir gleich eine neue, nach Hochdorf. Darüber werde ich mich dann irgendwann Ende September freuen. Aber jetzt? Wir setzen nun buchstäblich alles auf eine Karte, auf die VISA-Karte von Lis…

Das Pfauenpaar kümmert das alles nicht. Die beiden stolzieren alles ab, begutachten wenden sich blassiert ab, wenn man sie anspricht.

Das belastet uns natürlich auf unserer weiteren Fahrt nach Süden. Die Grenze zur Ukraine passieren wir wider Erwarten (zuletzt drei Stunden!) zügig und ohne Probleme (keine Drogen, keine Waffen…?). Vorbei an Bildstöcken, Brunnen, Kirchen. Selbst Lenin, janz in Jold, grüsst gnädig. So mancher Kulturpalast steht plötzlich in der Einöde einer kleinen Ortschaft. Felder mit tiefdunkler Erde bis zum Horizont, Hochspannungsmasten sind die einzige Schätzmarke für Entfernungen.

Eine versäumte Festung

Und so landen wir schliesslich in Bilhorod-Dnestrowskyj am grossen Mündungssee des Dnister, der hier ins Schwarze Meer mündet. Abends in Odessa werde ich dann erschreckt feststellen, dass wir ca. 200 Meter vor der gewaltigen Festungsanlage Akkerman wegen in Schlaglöchern und Sand endender Strasse umgekehrt sind um einen Weg nach Süden aus der Stadt heraus zu suchen. Stadt? Teilweise ukrainischer Marktbetrieb, das ist richtig, die Strassen ohne Wegweiser, teils in unterirdischem Zustand, wir kennen das ja. Und da entgeht einem eben diese Festung leichter als im Reisebus mit Reiseleitung.

Macht nichts, wir müssen ja eh‘ zurück nach Rumänien, da können wir da mal eben vorbei schauen… Das wird eh‘ noch eine interessante Fahrt durch das Nordgebiet des Donaudeltas, teilweise über modawisches Gebiet. Frage: Welche Grenzübergänge können wir nutzen. Morgen (Samstag, 28. August) wissen wir mehr. Wir lernen ja täglich dazu.

Ukrainisches Strandleben…

…finden wir dann auf der Nehrung, durch die der Dnister sich endgültig ins Meer ergiesst. Klein-Rimini, sozusagen… Stadt- und Strandleben in der Badehose. Russisches Badeleben eben.

Die Brücke verbindet die beiden Nehrungsteile

Einzug nach Odessa

Die Fahrt nach Odessa ist teilweise alptraumartig, einerseits des irren Verkehrs wegen (Nebenstrassen: Fehlanzeige, gibt’s nicht) auf irren schlagloch- und bahngleisbewehrten Strassen; ein Riesenschlagloch am Rande übersehen heisst mit hoher Wahrscheinlichkeit, danach den Rest des Autos stehen zu lassen.

Am Strassenrand kilometerweit Melonen, später Kartoffeln, Zwiebel und was der Mensch noch so braucht, es war Erntezeit, jetzt muss verkauft werden. Entsprechend turbulent das Anhalten, Parken, Verhandeln, Einladen und wieder Einreihen in den reissenden Verkehr; die VIP-Schaukel-Fahrer drängen erbarmungslos, nur Hupen ist harmlos.

In Odessa wird’s nicht besser, das Fehlen jeglicher Richtungsschilder (Zentrum, Hotelhinweise) unterstützt und erleichtert das Leben & Fahren im Chaos ungemein.

Aber wir schaffen auch das. Vor dem Hotel Continental**** wird’s uns der Parkplatz am Strassenrand geöffnet, der Portier schnapp sich unsere Sachen und wir stehen an der Rezeption. Und wir stehen. Und stehen. Die Mädels rennen nach hinten, unterhalten sich und dann teilt uns die Englischspezialistin mit, dass sie leider kein Economy-Zimmer frei haben (140 €) sondern nur Standard (195€). So fadenscheinig hat man uns all die Jahre noch nie mitgeteilt, dass wir in einem Haus unerwünscht sind.

Lis macht sich zu Fuss auf die Suche, nachdem der Portier unsere Siebensachen wieder ans Auto gebracht hat; er kann da nichts dafür…

Und Lis fand, wir residieren im Hotel Frapolli****, im Zentrum der Altstadt, alles Wesentliche ist zu Fuss erreichbar. Ok. – ein Schnäppchen ist es nicht. Aber es ist Odessa, im Geldausgeberussland sozusagen. Preise gehen nach Quadratmeter, Tanzsäle sind normal, man gönnt sich zuhause ja nur eine Hütte oder Etagenwohnung in der Platte. Und da wollte ich hin. Darüber dann mehr im nächsten Beitrag.

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