* Rund Europa 2011, 85. Tag: Mariä Himmelfahrt

Samstag, 20.08.2011, 16:31:18 :: Hotel Elizabeth

Mariä Himmelfahrt ist am 15. August, allenfalls unterscheiden sich die Kalender in den einzelnen katholischen und orthodoxen Gefilden oder die Bezeichnung, etwa Mariä Entschlafung in der Griechisch-orthodoxen Sichtweise.

Auf Naxos beginnen die Festlichkeiten in allen Orten mit einer Marienkirche schon am Vorabend. Wenn man nachts über Land fährt hat man jedoch den Eindruck, dass Feste eben gefeiert werden, wie sie fallen, egal wo. Griechen brauchen sowieso eher weniger einen besonderen Anlass um Feuer zu machen, zu grillen, zu trinken und zu tanzen. Sie tun das, wenn’s passt. Und es passt fast immer.

Wir hatten uns mit einem befreundeten Paar, das bei Astrid residiert und Ingbert zunächst das Kloster Agia, nördlich von Apollonas ausgesucht; das war der Tip der Eingeweihten.

Agia

Und in der Tat: Schon oben an der Strasse grüsst einen viel Licht von unten herauf, man hört die Musik und Stimmengewirr. Autos parken in erheblicher Zahl am dunklen Strassenrand und selbst der steile Sandweg, der zu diesem mittlerweile renovierten Kloster hibnab führt, steht voller Autos; eine wahre Herausforderung später, beim Wegfahren: Wenden mit Zentimetertolerenzen, im Stockdunkeln, angefeuert und gelenkt von den Familienmitgliedern. Hier treffen sich die Grossfamilien, ganze Clans. Wer sich hier nicht auskennt, begreift vieles nicht, was hier so abgeht.

Der gesamte Platz um die beiden Kirchen ist voller Menschen. Neuankommende begrüssen die Herumstehenden und folgen dann der selbstverständlichen Pflicht: Gang in die kleine Kirche, Bekreuzigen, Kerze erwerben, anstecken, aufstellen, Ikonen grüssen und küssen – Griechen, ob jung oder alt, stehen zu ihrer kirchlichen Tradition. Drinnen erklingt die monotone Liturgie, für die ganze Gemeinde über Lautsprecher auch nach draussen übermittelt.

Dort jedoch spielt die Musik:

Bousouki und Violine, dazu traditionelle Gesänge. Im Hintergrund brennt ein Feuer, wohl nicht just for fun, irgend jemand kommt plötzlich mit einem gehäuften Teller Makaroniá an: Spagetti mit Tomatensosse und Fleisch, andere tragen Plastikbecher mit Wein oder Wasser durch die Gegend. Wasser bester Qualität gibt’s aus der neben der kleine Kapelle sprudelnden Quelle kostenlos, man holt sich im Dunkeln dabei allerdings sehr leicht sehr nasse Füsse. Es ist schwül, trotz Windlein – eine richtige Augustnacht.

Es ist ein Familienfest, alle kennen sich, man merkt, wo die Clans stehen oder sitzen. Der Pope wird

Irgendwann tanzen…

…dann die ersten, ein kleiner Junge zunächst mit extremer Ausdauer, dann junge Leute, zuerst zu zweit. Dann wird der Kreis gebildet, dem sich immer mehr anschliessen. Ein älterer Herr tanzt stolz lächelnd und erhobenen Hauptes ausser Konkurrenz. Das geht so, mal ruhiger, mal wilder eine ganze Zeit lang. Wo fände man derartiges in Deutschland? Auf La Palma, ja, dort ist Tanzen ebenfalls selbstverständlich. Ich werde aufgeklärt: Dieser Riesenkreis, der da eben tanzt, das ist alles eine Familie…

Einige der jungen Tänzer (und vor allem -innen!) legen eine elegante Professionalität auf den Sand der Terrasse vor den alten Mönchszellen. Und wenn ich »elegant« schreibe: Es ist mehr als das, es ist Bewegung mit ihr folgender Musik hat man den Eindruck, so organisch, so verschmolzen ist beides.

…und irgendwann ist Schluss

Die beiden Musiker packen die Instrumente weg und der grosse Platz vor der Kirche leert sich langsam, es ist halb elf Uhr nachts. Wir marschieren wieder hoch zur Strasse, schlängeln uns durch das Chaos der wendenden und abfahrenden Wagen auf der Sandstrasse, deren Wendemanöver durch laute Kommandos der Familie begleitet bzw. gelenkt werden.

Was nun? Wir entscheiden, weiter zu fahren. Ziel:

Kloster Faneromeni

Man fährt da immer dran vorbei wenn man die Westküste rauf oder runter fährt und bewundert diese weisse Klosterburg mit dem protzigen Bogeneingang. Heute ist hier offen, man darf hinein,…

…von Ferne schon hört man die Liturgiegesänge, hier noch mächtiger durch Elektrik (ist »Elektronik« hier schon erlaubt?) verstärkt als in Agia. Maria wird uns später erklären, dass das erst so gegen drei, vier Uhr in der sonntäglichen Frühe enden wird.

So lange stehen oder sitzen auch hier viele, viele Menschen, alte, Junge, mit/ohne Kindern in und um die kleine Kapelle, in der der Priester seinen liturgischen Gesang darbringt, vom Finger seines Adlatus‘ am Seitenrand geleitet; sechs Stunden oder eher länger so durchzuhalten bedarf offensichtlich nicht nur eigene Festigkeit und Stärke.

Nur ein einziger Mönch soll hier noch leben. Der Klosterbau ist renoviert,…

…die Innenräume alle zugänglich, selbst der Schlafraum, nur durch einen in der Türfüllung aufgestellten Stuhl vor dem Zutritt der Neugierigen geschützt, zeigt sich mit ordentlich gemachtem Bett.

Hier im Kloster gibt es keine Musik, keinen Tanz, nur Liturgie.

Und zum Abschluss Filoti

Als wir dieses Bild in der Wohnstube des Mönchs sahen (es war Mitternacht),…

…kam uns dann doch der Gedanke an Essen. Das Bild ist ganz sicher ein Geschenk der »Konkurrenz«, zu wenig erinnert es an orthodoxe Ikonen, zu sehr aber doch an Mailand…

Egal. Jedenfalls machten wir auf der Rückfahrt in Filoti halt, dem grössten Ort nach der Chora. Dort gab’s noch Musik und ausreichend zu Essen, die Strassen voller Menschen. Mehr will ich dazu nicht sagen – ich war dann kurz vor vier Uhr morgens im Bett…

Picasa

Links:

Dieser Beitrag wurde unter D, Deutschland, Europa, Europa2011, Kultur + Gesellschaft, Reisen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu * Rund Europa 2011, 85. Tag: Mariä Himmelfahrt

  1. Pingback: Es ist offensichtlich… | Von Mir Nix & Dir Nix

  2. Pingback: Carnaval La Palma – Meganisi | Von Mir Nix & Dir Nix

Schreibe einen Kommentar