Donnerstag, 30.08.2012, 23:12:30 :: Viseu de Sus
Dienstag, 18.09.2012, 20:09:54 :: Naxos, Hotel Elizabeth :: Im August vor zwei Jahren haben wir diesen Tagesausflug zum ersten Mal gemacht. Bis heute hat es gedauert, darüber zu berichten, nachdem wir am 30.8.2012 diese Fahrt wiederholt haben…
Ausflug in die Karpaten: Die letzten ihrer Art
Nein, nicht Bären und Wölfe. Die Ungeheuer sind etwas grösser. Die Wassertalbahn, die sich von Viseu de Sus in die engen Täler der Karpaten hochschnauft, ist ein Schmuckstück und eine der wenigen – wenn nicht die einzige – Touristenattraktionen der Stadt. Die Dampflokomotiven sind die letzten im täglichen Einsatz in Europa. Sogar dem Fernsehen war die Bahn einen längeren Film wert. Sie werden mit zurecht gestutzten Baumstämmen geheizt und saufen ziemlich viel Wasser: Unterwegs heisst es zweimal Wasser fassen.
Zunächst aber muss man früh aufstehen, mit dem schmalen Frühstück vorlieb nehmen und dann auf Wegen und Strassen dem Bahnhof zustreben, die diesen Namen meist nicht verdienen und unter denen natürlich die Bevölkerung ständig und am meisten leidet.
Kommt man zu spät, wird man mit den Plätzen vorliebnehmen (oder in den zweiten Zug umsteigen) müssen, die eben noch übrig sind, denn eigentlich alle, ob nun ausländischer Tourist oder rumänischer Tagesausflügler, sichern sich frühzeitig eine günstige Position zum Fotografieren.
Am Bahnhof löst man eine Fahrkarte, aber eine richtige, so wie früher; ganz ohne PC, Internet und Drucker auf dem Wohnzimmertisch.
Man sitzt in offen Wagen auf harten Bänken, 3. Klasse sozusagen, also zünftig. Während die Lokomotivführer ihre Loks ordentlich dampfen und pfeifen lassen, sorgt das restliche Zugpersonal für geordnete Befüllung der Wagen.
Pfiffige jung Leute vertreiben Gebäck und Getränke und damit den ungeduldig Wartenden die Zeit.
Aber es gibt auch viel zu sehen: Das Bahngelände steht voller Altertümer,…
…und was die Hangars noch alles verbergen, da kann man nur raten.
Gegenüber ragt eine Stammschälanlage (so nenne ich’s mal laienhaft) in den Himmel,…
…Arbeiter beschicken die Stammtransportstrasse mit Stamm um Stamm; irgendeine Kette im Boden zieht sie wie von Geisterhand gezogen zum Schafott. Muskelkraft ist ohne Zweifel sehr gefragt.
Je nach Wind zieht einem der Rauch in die Nase und nur die Älteren werden wohl daran erinnert, wie das in ihrer Kindheit und Jugend war, als Dampflokomotiven noch zur Serienausstattung auch in den westlichen Gefilden Europas gehörten.
Die entscheidenden Pfiffe…
…sind dann weder zu überhören noch fehl zu interpretieren: Die Lok will los. Und mit harten Ruck und grossem Gequietsche setzt sich der erste Zug in Bewegung. Es schaukelt mächtig auf den Schmalspurgleisen und jeder ist gehalten, sich zu halten. Umfallen kann weh tun. Und die Morgenkälte treibt die Menschen zueinander.
Das Züglein schnauft schwer.
Allein, Intercitygeschwindigkeit wird sich nicht einstellen auf den nächsten ca. zwanzig Kilometern. Mit maximal 15 km/h ruckelt der Zug durchs Tal, das, zunächst noch breit, auch Strassen kennt und auf beiden Seiten des Flusses bebaut ist, zunächst den Gleisen mit auffällig vielen kleinen Pensionen, was nahelegt, dass doch ein gewisser Tourismus herrschen muss.
Über den Fluss gelangt man auf teils abenteuerlichen Hängebrückenkonstruktionen, freilich nicht mit Auto, Pferd und Wagen – Fussgänger und Fahrräder sind das Äusserte. Selbst dort, wo man keinen Weg zu anderen Seite mehr erwartet, liegt plötzlich ein Riesenstamm quer über den Fluss, mit Geländer, versteht sich.
Aber sie halten wohl nicht ewig.
Die Fahrt geht über abenteuerliche Gleis- und Brückenkonsruktionen, vorbei an Haltestellen, an Bahn- und Waldarbeitern, zunächst immer den Fluss zur Linken.
Bald hören auch die letzten Strassen auf, auf der wir Pferdefuhrwerke und Fussgänger durch den Matsch stapfen sehen, Wege verlieren sich zuletzt vollständig. Wir sind alleine auf unserem Zug, es ist kalt, wer nicht vorgesorgt hat, ist arm dran. Die Sonne kommt über die Bergkämme, beginnt etwas zu wärmen wo sie hinfällt, steigt höher und beleuchtet immer kontrastreicher, was mit jeder Flussbiegung wilder wird: Der Fluss flach, aber reissend über die Stromschnellen springend, zum Flössen wäre er wohl jetzt zu flach. Aber man erkennt gut, welche Kraft er entwickelt, wenn im Frühjahr der Schnee schmilzt.
Was der alles transportiert, sieht man zuweilen auf Kiesbänken: Den halben Wald findet man da wieder.
Plötzlich dann doch wieder ein Haus, ein Holzsammelplatz oder mitten auf einer Kiesbank ein Pferdefuhrwerk. Sie holen sich Steine aus dem Fluss, Haus- oder Mauerbau vermutlich. Schleierhaft, wie sie da hin gekommen sind, mehr noch, wie sie ohne sichtbare Wege wieder nachhause kommen. Wer gut aufpasst und seine Augen überall hat, erkennt dann doch die eine oder andere Furt, eine Trasse am anderen Ufer, wohl als Strasse zu nutzen. Muss ja, wie sonst? Denn irgendwann kommt ja auch der nächste Holzsammelplatz, wo die rauen Jungs sortieren, rollen – teils mit Pferdehilfe – und ein Spezialbagger lädt sich selbst die Stämme auf die Ladefläche als wären es Mikadostäbchen.
Fußgängerbrücken fehlen später dann ganz, einzig die Bahn beginnt, hier und da über interessante Brückengebilde die Talseite zu wechseln. Die Schluchten werden enger, die Felsen beginnen heranzurücken, ragen auf und nehmen das Licht. Seitentäler tun sich auf, alles strömt zur anderen Wagenseite, kurz darauf zurück – die Motive gehen nicht aus. In mache dieser Täler zweigen Gleise hinein – auch von dort holt die Bahn die Stämme, die anders niemand mehr holen könnte.
An vielen Stellen ist ausser für Fluss und Gleise nicht mehr viel oder gar kein Platz. Die letzten Kühe grasen, die letzten Heuhaufen bleiben hinter uns – am Nachmittag, bei der Rückfahrt, werden wir sie wiedersehen, aber in ganz anderem Licht.
Der erste Halt…
…treibt die Fahrgäste ans Flussufer in die Sonne. Während die Lok zu saufen bekommt springen die einen von Stein zu Stein im und am Fluss, andere suchen sich einen verschwiegenes Eckchen.
An diesem mehrgleisigen Bahnhöfchen überholt uns dann auch ein seltsames Gefährt,…
…dessen Sinn und Zweck erst später klar wird: Es ist der Marketenderinnen-Wagen, ein alter Kastentransporter, den man auf Eisenbahnräder montiert hat und der die mit seiner Motorkraft auch irgendwie antreibt. Laut trötet er sich den Weg frei; wir werden ihm später dankbar sein…
>––– Teil 2
Picasa
Tagesleistung, Tracks & Links:
- 2012-08-30;40.5;03:41;01:20;34.6;11.0;8.0;Viseu de Sus Wassertalbahn
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Pingback: * Rund Europa 2012, 91. Tag: Viseu de Sus – Wassertalbahn (2) | Von Mir Nix & Dir Nix
…hätte man das eine oder andere Auto aus den Bildern retuschiert, hätte man meinen können, Ihr macht nicht eine Reise durch das Europa unserer Tage, sondern eine Zeitreise… Es sieht so beschaulich aus, dass fast der Eindruck entsteht, es sei alles inszeniert. Ich habe selten so viel „geballte“ Vergangenheit gesehen..
Dir und Liz weiterhin eine schöne Reise durch Zeit und Raum.
Mit herzlichen Grüssen
Anne & Helmut