* Rund Europa 2014, 6. Tag: Sarande – Gjirokaster – Tepelene (1)

Mittwoch, 09.04.2014, 21:09:47 :: Tepelenë, Hotel (»Ali Pashe«)
Samstag, 31.01.2015, 21:28:38 :: Naxos

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Aufwachen in Sarande

Der Blick aus dem Hotelfenster, so direkt über dem kleinen Hafen ist immer wieder eine Freude, besonders natürlich, wenn die Sonne scheint. Das tut sie heute Morgen. Dagegen ist das Frühstück mager, die Wurst ungeniessbar, aber die Spiegeleier, die wir nachbestellen, sind dann bestens; 40 €/Nacht mit Frühstück, es ist einfach ok.…

Mesopotam

Unsere Fahrt führt zunächst nach Mesopotam, einer alten Klosteranlage mit der grössten byzantinischen Klosterkirche Albaniens, vermutlich aus dem 13. Jahrhundert. Wir hatten die Anlage in früheren Jahren schon einmal gesucht, aber nicht gefunden. Heute, mit Google Earth wurden wir vorab fündig und fanden so die kleine Seitenstraße, die rechts ab in die Felder und zum Friedhof führt – und zur Müllhalde direkt davor. So recht will Tourismus eben immer noch nicht gelingen.

Dahinter liegt dann die Kirche St. Nikolaus und die sie umgebenden Mauerreste des einstigen Klosters.

Uns begrüssen gleich nach dem Tor friedlich grasende Schafe und Begräbnisgesang und -gemurmel. So schleichen wir uns diskret an der Friedhofsmauer entlang, werden aber kurz darauf von einer fröhlich (oder wissenschaftlich…) plaudernden Gruppe Italiener ein- und überholt. Ihr Ziel ist, ohne links und rechts zu schauen, die Kirche, die sie kurz umrunden und weg sind sie wieder.

Es ist ein eigenartiges Gefühl: Diese leere Wiese, gesprenkelt mit winzigen Frühlingsblumen, ein Gärtner, der hier wohl Ordnung hält, von Ferne immer noch der Grabgesang und dann diese doch irgendwie gewaltige, verbeulte, geschundene Kirche, zusammen gehalten durch eiserne Bänder um Körper und Turm. Man hat bei ihrem Bau auf altes, antikes Material zurückgegriffen – hier und da findet man immer wieder Stücke, die aus diesem Fundus stammen.

Wir trennen uns nur ungern von diesem Ort, umrunden immer wieder die Kirche, entdecken immer mehr Details, erkennen imm deutlicher wie schwer es dieses ehrwürdige Gebäude hat, nicht zusammenzukrachen. Und nirgends ernsthafte Anzeichen, ihr durch Renovierung wieder Standhaftigkeit zu verleihen.

Hinauf zum Pass

Ees geht dann im Tal der Bistrica hinauf ins Gebirge. Es ist Frühling, überall blüht es, Wiesen und Bäume tragen weiss oder kräftiges Rotviolett.

Und immer wieder staunen wir aufs neue über diese Berge, glatt aber tief gefurcht. Jetzt im Frühjahr überall zart grün bis weit hinauf, werden sie im Herbst kahl, allenfalls grau-braun aufragen. Am Pass oben erwartet uns eine Kneipe, man sieht von dort dann schon ins viele Kilometer breite von Süden nach Norden verlaufende Tal, in dem wir als nächstes Gjirokaster erreichen werden.

Lange windet sich die Paßstrasse nach oben, die Besiedlung wird immer dünner, der Blick geht zurück ins Tal, wo die Bistrica aufgestaut die Elektrizität für die Dörfer der Distrikte da unten liefert. Aber wir werden enttäuscht: Das Lokal ist geschlossen. Nur einige Autos stehen da, die Männer sitzen davor zum grossen Ratschlag wie es scheint, sie schauen nicht allzu freundlich und wollen wohl alleine sein. Da fahren wir dann eben hinunter ins nächste Tal und vertrösten uns auf Gjirokaster.

Griechische Taverne

Das ist eben das Schöne, dass immer wieder alles anders kommt, als man denkt auf solchen Reisen. Wir kennen die Strecke, wir freuen uns am Ausblick, während wir die Serpentinen hinunter rollen und wieder diese wahnsinnige Gesteinsstruktur bestaunen und besprechen, wo wir in Gjirokaster halten und essen wollen.

Unten angekommen, entdecken wir eine Taverne am Strassenrand. Wir halten und fragen die agile Blondine, ob offen sei. Eigentlich nicht, was wir denn wollten. Sie ist Griechin, hat mehrere Lokale, u.a, in Sarande, in Durres und auch eines am Golf von Korinth…

Es ist schon so, einfach Geschichte: Albanien ist ja ein junger Staat, erst 1912, also kurz vor dem ersten Weltkrieg, als Puffer zwischen Serbien und dem Meer gegründet und mit einem König bestückt. Der Balkan war zum grössten, südlicheren Teil eben osmanisches Reich und reich an Ethnien. So findet man heute noch viele Griechen bis weit in den mittleren Teil Albaniens hinauf. Die Osmanische Zeit wird uns später dann in Tepelenë noch ausgiebig beschäftigen.

Jedenfalls, sie hat Mousaka, was zu trinken und ein Plappermäulchen, sie unterhält uns in jeder Hinsicht vorzüglich und ermahnt uns, am Golf von Korinth das nächste mal anzuhalten; ihr Mann führt dort die Taverne…

Wir entschliessen uns nach dieser üppigen Pause, Gjirokaster ausfallen zu lassen und direkt weiter nach Tepelenë zu fahren. Denn dort wird es kompliziert in zweierlei Hinsicht: Erstens wollen wir und dies Ort ob seiner Geschichte endlich genauer ansehen und zweitens müssen wir in Erfahrung bringen, wie wir weiter nach Berat fahren können. Es gibt zwei Strassen durchs Gebirge, die relativ direkt nach dort führen und die in Google Earth so aussehen, als könnte man das mit dem Senfle in Angriff nehmen; eine wilde Berggegend würde uns da erwarten, Albanien pur.

Wir passieren kurz vor dem Abzweig nach Gjirokaster die alte osmanische Brücke, die daran erinnert, dass es eine Reihe hochinteressanter und spannender Literatur über osmanische Brücken, ja sogar einen regelrechten Krimi:

  • Ismail Kadare, Die Brücke mit den drei Bögen
  • oder das Monumentalwerk von Ivo Andrić, Die Brücke über die Drina

Man kann sich danach ein wenig als »Balkanversteher« fühlen…

Es wird immer diesiger; später in Tepelenë werden wir Regen haben. Das tröstet uns unterwegs fast: Ein Spaziergang bei Regen durch Gjirokaster ist nicht das, was wir uns wünschen. So lassen wir uns auf dem Rest der Strecke von dieser wunderschönen und gigantischen Talebene (dem Dropull) des mäandernden Drino neben uns begeistern.

Und so landen wir kurz vor dem Regen in Tepelenë, im einzigen Hotel, einem überdimensionierten »Palast«, vor dem der wahre Herrscher dieser Stadt lässig hingegossen lagert, den wir aber in einer exquisiten Suite bewohnen werden. Aber das ist eine ganz andere, neue Geschichte – die folgt in Teil 2.

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