Donnerstag, 10.04.2014: Berat
Freitag, 20.03.2015 :: Naxos
Wir fahren hinab zur Vjosa, diesem Strom mit dem riesigen Flussbett, über den Brücken zu bauen fast nicht gelingen will. Aber schon bevor wir unten sind, häl uns ein entgegenkommender Autofahrer an, grüsst und plappert. Wir verstehen: Er möchte, dass wir ein Foto von ihm machen. Den Wunsch erfüllen wir ihm gerne, er grüsst nochmals – sie sind so, die Albaner, immer freundlich, lachend – und ich lichte die Festung nochmals von der Talseite her ab.
Am Zusammenfluss von Vjosa und dem dritten der hier zusammenfliessenden Flüsse (Name nicht zu finden) ist noch Brückenbaustelle – oder schon wieder, denn es ist leicht zu erkennen, dass nach starken Regenfällen hier die Hölle los ist, kommt da doch innerhalb von 2, 3 km das Wasser von drei Flüssen zusammen. Aber die Ausblicke übers Tal sind gigantisch.
Ab hier haben wir dann freie Fahrt: Ein neue, breite Strasse nach nordeuropäischem Stand, mit fast allem was man da erwarten darf, Leitplanken, ein wunderbar ebener Strassenbelag, zuweilen Mittelstreifen… Und dauernd Aussichten, für die man anhalten muss.
Und ausgerechnet hier,…
…auf dieser Traumstrasse liegt ein kleiner Stein, nicht mal faustgross, den ich zu spät sehe bei rel. hoher Geschwindigkeit. Ein lauter Knall, Geruckel, Bremsen, Ranfahren: Plattfuss vorne rechts.
Wie gut, dass wir ein Reserverad haben, ganz zuunterst im Gepäckraum. Also, alles ausladen, am Strassenrand auftürmen, dann Wagenheber und das Reserverad. Schon als ich es heraushebe gibt es keinen Zweifel: Die Luft ist restlos raus. Aus der Traum. Das letzte Mal, 2012, war das in Azalas auf Naxos, da ging alles gut mit dem Wechseln, auch in Kroatien, 2010 ging alles flott, sogar mit jugendlicher fremder Hilfe. Aber hier? Albanien, weit und breit kein Ort? Genau das, was andere mit Ehrfurcht vor unserem Reisemut immer raunen?
Engel der Landstrasse
Nein, kein gelber. Ein dunkelblauer PKW kommt uns kurz darauf hinter uns her, hält, beschaut sich alles, lädt mich und den schlappen Ersatzreifen in seinen Wagen und fährt den Berg runter. Nach ein, zwei Kilometern liegt da eine Tankstelle auf der linken Seite. Er wechselt ein paar Wort mit dem Chef, bläst den Reifen auf, drückt dem Chef ein paar Leke in die Hand und ab geht’s, zurück zum Auto. Wo er den Reifen montiert, ich ihm 10 € in der Hand drücke, er uns bei Wiederbeladen des Senfles hilft, sich strahlend mit Handschlag verabschiedet und wir weiterfahren.
So. Das ist Albanien. Alle Pein fällt von uns ab. Der Reifen hält die Luft, der kaputte ist hinten drin. Es ist alles gut. Wir erholen uns in der der Raststätte der Tankstelle von gerade erst einmal.
Bis kurz vor Fier geniessen wir die Landschaft. Die weite Mündungsebene der Vjosa erlauf grosse Felder und Weiden. Schaft, Gewächshäuser, saftiges Grünzeug links und rechts.
Auf der Suche nach dem neuen Reifen
In Albanien gibt’s Reifen an jeder Strassenecke. Das kennen wir. Aber nur von der Ferne. Kurz vor Fier die erste Gelegenheit. Zuvor, bei Ballsh, kommen wir durch eine der Gegenden, in denen in Albanien Erdöl gefördert wurde und zum Teil auch wohl noch wird. Der Diktator Enver Hoxha hatte ja die versessene Idee, Albanien autark zu machen.
Das ist aber dann eine andere Geschichte, die von Pferdekopfpumpen, vom Petroleumgeruch und den Teerseen – schon viele Jahre her, 2006…
Aber wir lernen schnell beim Prüfen der »Reifenfirmen«: LKW-Reifen ja, in Hülle und Fülle. Für PKWs auch, aber eher Mercedes und BMW. Und vorzugsweise gebraucht, teilweise ohne Profil. Renault? Twingo? Mit herzerweichendem Lächeln wird verneint. Wir fahren nach Berat. ein grosse Stadt, Touristen, da wird’s dann was.
Zustände
Die Strasse wird zusehends »sandiger«, als wir Fier hinter uns lassen,…
…die Bebauung allerdings vielfältiger bis bizarr. Albaner haben deutlich eine Freude an schrillen Farben und Formen; nicht nur in diesen Fällen.
Und so landen wir auf einer Strasse, deren Charakter sich alle paar hundert Meter drastisch ändern kann, schliesslich in Berat, der »Stadt der tausend Fenster«. Lis hat von der Fahrt durch die Löcher, pardon: Strasse, ein kleines Video gedreht; das muten wir niemandem zu, es könnte Seekrankheit hervor rufen.
Wiedersehen mit Berat
Da sind wir also wieder. Das erste mal war das Anfang Mai 2007. Etwas Ortserfahrung haben wir also. Wir finden auch auf Anhieb dieses wunderschöne Hotel, ganz traditioneller türkischer Stil und freuen uns auf dies riesige überdachte Terrasse. Pech.
Alles belegt, ein Bus mit Reisegruppe reicht aus, unseren Plan gleich mal zu kappen. Aber wir finden gleich nebenan in der Altstadt, direkt neben dem Rest des Palastes des Paschas ein kleines schnuckliges Familienhotelchen Osumi.
Und bald sitzen wir auf der gerade neu angelegten, irgendwann fertigen Promenade und schlürfen unseren Cappuccino. Lis bekommt von der jungen, quirligen Bedienung in bestem Englisch erklärt, wo die Post ist; diesmal klappt alles mit dem Einwerfen. Berat ist eben »Stadt«… Und wir kommen mit einem Ehepaar aus Freiburg/B. ins Gespräch, wohl pensionierte Akademiker. Sie sind zum wiederholten Mal nach Tirana geflogen, haben wieder eine Wagen gemietet und erfahren sich auf diese Weise Albanien. Wir sind uns schnell einig: Ein unvergleichlich wildes Land mit vielen (positiven!) Überraschungen.
Zum Abendessen gehen wir dann doch in »unser Hotel« und speisen gepflegt, aber eben anders als gewohnt.
Und wir fragen uns: Woran liegt es, dass es Orte gibt, an denen man sich so schnell zuhause fühlt? Zuallererst an den Menschen, Kontakte, oft nur mit Satzbruchstücken und ein wenig Englisch und einem freundlichen falemindérit und ju lutem (»danke« und »bitte«).
Morgen früh geht es dann hinauf zur Festung. Die Bedienung heute Nachmittag hat uns die Angst genommen, mit dem Auto die sehr steile Kopfsteinpflasterstrecke dort hinauf zu fahren. Man darf das und es ist möglich, wenn wir’s nicht schaffen mit dem Senfle sollen wir ein Taxi nehmen… On verra.
Ach ja, der Reifen. Schon vergessen den Schreck von heute früh.
Links:
- Ein externer Bericht: Reisebericht Tepelena – KÑ‘lcyra – Berat