* Rund Europa 2016 (2), 25. Tag: Kiuruvesi – Ilomantsi

Samstag, 25.06.2016, 22:22:57 :: Ilomantsi, Camping
Donnerstag, 30.06.2016, 18:24:54 :: Pärnu

Es fällt uns schwer, Sininen Helmi den Auspuff zu zeigen. Es bleibt ein unbedingter Lieblingsort.

Ilomantsi, unser heutiges Ziel, ist die östlichste Gemeinde Finnlands. Es gibt innerhalb dieser Gemeinde allerdings noch Ortschaften weiter östlich, zum Beispiel Möhkö, wohin wir morgen früh wollen.

Die »Gemeinde« muss man – anders als in Deutschland – deutlich weiter fassen, liegen doch »Orte« und Gehöfte oft sehr weit auseinander. Ich erinnere mich gut daran, wie ein Herbergswirt weiter oben in Nord-Karelien uns 2012 erzählte, dass der Bäcker vom nächsten Ort eine Strecke von ca. 250 km zurück legt, um seine Brötchen auszuliefern…

Finnland hat knapp 5,5 (82) Mio Einwohner und eine Bevölkerungsdicht von 16 (229) Einwohnern pro m2; in Klammern die Werte von Deutschland.

Es wird also wieder eine lange Fahrt durch Wälder, über Flüsse und zwischen Seen werden. Langweilig? Wir werden es erleben, immerhin verzeichnet die Karte einige wenige Ort auf der Strecke. Viel Zeit zur vorauseilenden Erkundung war nicht…

Isalmi

Der erste grössere Ort, an den wir
auf dem Weg nach Ost gelangen, ist Iisalmi, an deren nördlichem Ortseingang wir die Holzkirche VON 1779 finden, deren Vorgängerinnen, immer wieder abgebrannt, seit 1627 das religiöse Zentrum der weiteren Gegend hier waren. Trotz der Vorgabe Königs Gustav IV Adolf, Kirchen nur noch aus Stein zu bauen, erhielt Iisalmi in Ermangelung dieses Baumaterials in dieser Gegend eine Sondergenehmigung. Und so steht sie nun eben seit dieser Zeit, trägt seinen Namen und ist bisher nicht abgebrannt. Leider ist sie geschlossen, ein Blick ins Innere bleibt uns also verwehrt.

Wer sagt, Kirchengeschichte sei langweilig oder unbedeutend? Weitere Fragen schliessen sich immer an – wenn man will. Vor Ort reicht die Zeit nie, sie zu beantworten, bei der Vorbereitung hatten sie sich noch gar nicht gestellt. Reisen ist einfach spannend, insbesondere, wenn man gar nicht weiss, was kommen wird.

Danach decken wir uns für den Tag ein; die Supermärkte hier sehen aus wie überall, sind oft aber viel grösser und vielfältiger bestückt als unsere in Deutschland. Das liegt ganz einfach daran, dass es die einzigen Einkaufsmöglichkeiten im weiten Umkreis sind, Bäckereien oder eine Metzgerei suchen wir zum Beispiel stets vergebens. Sie sind der Laden für alles, »vom Schnülle bis zum Sterbekleid«, wie der Besitzer des Dorfladens in meiner Kindheit zu sagen pflegte. Alles, abgepackt und eingeschweisst. Die Milchprodukte mit einem Fettgehalt von 0,1%. Und bis auf Lebensmittel Made in China. EU-Norm. Punkt. Toll.

Koirakoski

Dieser Ort wird keinem bekannt sein. Er liegt in den Tiefen Nord-Savos an einem der zahlreichen schnell dahin stolperten Flüsse, oft Übergänge von einem See zum andern. Ob er wichtig ist und aus wie viel Holzhäusern er besteht, weiss ich nicht. Warum also diese Einführung? Ganz einfach, es gibt dort eine Kahvila, neudeutsch einen Coffee-Shop, in dem wir uns eine Kaffee genehmigen, dazu was Süsses und Lis wühlt im auf den Regalen ausgestellten Nippes.

Coffee-Shop, Hof-Verkauf, geöffnet

Die Bedienung ist sehr redselig, verrät uns unaufgefordert ihr Alter und dass sie normalerweise Sportmassagen verabreicht, im Winter, Skifahrer und so. Und im Sommer ist sie hier. Also jetzt.

Als Lis, wie überall in Schweden und Finnland, mit der Karte zahlen will, erklärt sie unschuldig, dass das Gerät heute nicht funktioniert. Ich habe bereits in mein süsses Stückchen gebissen, kann es also schlecht zurück geben, was also jetzt? Zum Bankomaten zurück? Ich gehe ans Auto und hole meinen normalerweise leeren Geldbeutel, in der Hoffnung, dass Lis mir irgendwann mal wieder was zugesteckt hat. Und siehe da! Ein Fünf-Euro-Schein steckt da drin und ein paar Münzen obendrein. So schaffen wir es, ordnungsgemäß mit Bargeld zu bezahlen. Sie ist überglücklich und legt ein paar Teebeutel und einen steinernen Marienkäfer als Geschenke obendrauf.

Auf der Via Karelia

Iirgendwann taucht das erste Schild auf: Wir sind nun auf der Via Karelia, der Strasse, die durch die Schönheiten, auch Nationalparks der karelischen Gebiete entlang der russischen Grenze führt.

Wir fahren weiter, endlos lange, zuweilen auf Kilometer gerade Strassen, die, weil hügelig zur Berg- und Talbahn werden. Auch hier wird intensive Forstwirtschaft betrieben.

Aber wir finden auch viele unberührt, verträumte Abschnitte, zarte Birkenwälder, Blüten und Samenflaum-Meere.

Rautavaara

In Rautavaara, an der Grenze zwischen Nordsavo und Nordkamelien ein Glockenturm.

Nurmes

In Nurmes finden sich neben der neugotischen Kirche eine ganze Reihe wunderschöner Holzhäuser aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Lieska

Im Kirchendorf Lieksa treffen wir auf eine weitere orthodoxe Kirche. In diesem Grenzraum trifft sich, das merken wir immer wieder auch an anderen Dingen, eben Ost und West.

Fotos des Tages

Nur mal zwischendurch: So sieht die Fotokarte eines so langen Tages aus.

Und irgendwann ist es dann soweit…

…und wir landen im Kiesbett einer wohl ehemals asphaltierten Strasse. Das zeigt sich dann, wenn das Kiesbett durch wagenradgrosse Schlaglöcher ersetzt wird, die durch den ehemaligen Belag locker verbunden sind. Sind es 30 Kilometer? Sind es 50? Irgendwann jedenfalls sind wir erlöst. Wir sind die alte Strasse gefahren, die durch eine neue, kürzere weiter südlich ersetzt wurde. »Unsere« wird wohl nur noch zum Abtransport des Stangenholzes genutzt.

Aber es hat sich dennoch gelohnt.

Eine weitere orthodoxe Kapelle steht bei Hatawaara am Weg

Winterkrieg bei Ilomantsi

und zwei Kanonen wenig später wecken erneut unsere Aufmerksamkeit: Es ist eine Gedenkstätte für den Winterkrieg Finnlands und Russlands 1939-40, der in diesen Wäldern bitter geführt wurde.

Am Ende finden wir ein Quartier

Ganz leicht war es nicht aber schlussendlich haben wir eine Hütte am See gefunden, in der wir uns auch ganz wohl fühlen.

Das war’s in Kurzform

Es war eine lange Fahrt voller neuer und unerwarteter Eindrücke, wie wir sie nicht erwartet hätten, in den Wäldern an der Grenze zwischen Finnland und Russland.

Blick aus dem Hüttenfenster. Es ist Mitternacht…

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