* Rund Europa 2017 (Oktober), 13. Tag: Mykene – Naxos

Montag, 23.10.2017, 23:58:09 :: Naxos, Galanado

Heute werden wir also Naxos erreichen. Dazu müssen wir die Fähre um 16:30 Uhr in Piräus bekommen. Wir haben also genügend Zeit. Das heisst auch, alleine und gemütlich bei herrlichem Himmel und Sonnenschein auf der Terrasse frühstücken und den Blick zum Argolischen Golf geniessen.

Nachdem wir alles im Senfle verstaut haben, werden wir kurz vor dem Einsteigen noch mit Früchten versorgt und da kann ich es mir nicht verkneifen, zu fragen, woher das Hotel eigentlich seinen prägnanten Namen »La Petite Planète« hat.

Das sei eine lange Geschichte, und die gehe so, beginnt die agile Schwester, die sich fast immer um uns sorgt und die uns zum Auto gefolgt ist:

Wie das Hotel »La Petite Planète« zu seinem Namen kam


Beide Aufnahmen sind vom Mai 2017

Ihr Ururgrossvater kam mit Panagiotis Stamatakis aus dem Epirus nach Mykene. Wer nun war Stamatakis? Kurz: Er war der Kontrolleur und Mitausgräber von Heinrich Schliemann in Mykene, Ephoros der Altertümer der Argolis. Er erkannte wohl früh die Bedeutung dessen, was hier zum Vorschein kommen würde und empfahl dem Vorfahren, hier ein Hotel zu bauen, denn erstens mussten die Ausgräber irgendwo unterkommen und ebenso die kommenden Touristen. So wurde 1862 mit dem Bau eines Gästehauses begonnen, das noch heute den Namen »La Belle Helène« trägt. Ab 1876 übernachte dann Schliemann auch dort, erst 1890 wurde das Haus offiziell Hotel.

Vom Urgrossvater wissen wir nichts, aber vom Grossvater. Er war Pilot in der Griechischen Luftwaffe – aber Kommunist. Daher musste er die Armee verlassen und ging nach Paris. Dort lernte er seine Frau, die Grossmutter, kennen, die ihm 1943 das frisch erschienene Büchlein seines Fliegerkollegen Antoine de Saint-Exupéry schenkte.

Links:

Der Kleine Prinz hat so seine eigenen Gedanken zur Welt der Erwachsenen, denen man nicht so ohne weiteres widersprechen kann:

Die Erwachsenen verstehen nie etwas von selbst, und für Kinder ist es anstrengend, ihnen immer und ewig Erklärungen geben zu müssen.
[…]
Erwachsene lieben Zahlen. Wenn ihr ihnen von einem neuen Freund erzählt, wollen sie nie das Wesentliche wissen. Sie fragen euch nie: »Wie ist der Klang seiner Stimme? Welche Spiele spielt er am liebsten? Sammelt er Schmetterlinge?« Sie fragen euch: »Wie alt ist er? Wie viele Brüder hat er? Wie viel wiegt er? Wie viel verdient sein Vater?« Nur dann meinen sie ihn zu kennen.

de Saint-Exupéry, Antoine. Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz

Der kleine Bursche hat dem Grossvater wohl so imponiert, dass er nach seiner Rückkehr nach Mykene beschloss, es seinem Urgrossvater gleich zu tun und ein Hotel zu bauen. Das wollte er nach dem kleinen Jungen vom kleinen Planeten benennen. Doch da waren die royalistischen Beamten der Genehmigungsbehörde entschieden dagegen. Der kleine Prinz, der wohnte mit seinen königlichen Eltern im Exil oder schon wieder im Schloss in Athen. König war damals wohl Georg II. oder Paul I. (1947–1964). Eine solche Monarchen-Lästerung kam nicht in Frage.

Ab 1942 kämpften Royalisten und Kommunisten gegen die Besatzer, die sich im Jahre 1944 zurückzogen. Nach Kriegsende wurde die Frage des Fortbestands der Monarchie zunächst zurückgestellt, der König ernannte Erzbischof Damaskinos an seiner Stelle zum Regenten, bis die Verfassungsfrage durch eine Volksabstimmung im September 1946 geklärt wurde. Unter dem Einfluss der Spaltung der Nation durch den Bürgerkrieg votierten bei der unter irregulären Bedingungen stattfindenden Abstimmung 78 Prozent für die Monarchie.

Wikipedia: Königreich Griechenland

Und so einigte man sich auf den Kleinen Planeten …

Ich finde das eine rührende und lehrreiche Geschichte, die dem eher farblosen modernen Ort Mykene eine überraschende Farbe verleiht.

Nach dieser Geschichtsstunde verabschieden wir uns dann aber doch, wir wollen vor dem Regen in Piräus sein. Die junge Frau meint etwas wehmütig, nun müssten sie alle in die Oliven, viel Arbeit warte auf sie alle, auch Orangen …

Korinth

Das Wetter bleibt uns gewogen. Kurz vor Korinth, im Angesicht der Steinbrüche am Strassenrand und dem vor uns aufragenden Festungsberg von Korinth entscheiden wir spontan: Wir schauen uns noch die Ausgrabungsstätte an, nachdem das im Juni 2011 irgendwie nicht so geklappt hat. Wir wissen nicht mehr, warum.

Und so reihen wir uns ein in den gar nicht so dünnen Besucherstrom, berappen unseren Rentnereintritt, und informieren uns zunächst im Museum vor, ehe wir das doch beachtliche Gelände betreten; im Sommer wäre das eine Unmöglichkeit.

Hier nur Eindrücke, ohne grosse Erklärungen. Eine große Bilderauswahl gibt es wie (fast) immer in der Google-Fotogalerie am Ende dieses Beitrags.

Auf diesem ausgedehnten Gelände mischen sich die verschiedensten Interessenten: Bustouristen, religiöse Gruppen, die die hier singend Gottesdienste abhalten, Archäologen, die scharren und vermessen – und wir. Als wir der ersten singenden Gruppe begegnen, fällt es mir schlagartig ein: Klar, Paulus‘ Briefe an die Korinther, als Korinth bereits lange römisch war.

Die Schautafeln sind hier alle dreisprachig: Griechisch, Englisch und Deutsch. Das ist selten, ich kann mich an keine antike Stätte erinnert, wo wir diesen Komfort hatten.

Der Kanal von Korinth

Den Kanal kann man auf der Schnellstrasse so überqueren, dass man nichts davon mitbekommt. Das wollen wir aber nicht. Am Südende des Kanals führt eine versenkbare Brücke über den Kanal, von dort sind auch die steilen Kanalwände eindrucksvoll zu bewundern.

Deshalb fahren wir zunächst dort hin. Denn da liegt auch ein Restaurant direkt am Wasser und da stärken wir uns für die letzte Etappe.

Die müssen wir nun bald antreten – erstens der Zeit wegen und zweitens, weil es zuzieht, so wie es die Wettervorhersage angedroht hat.

Auf die Fähre: Ende

In Piräus am Hafen sitzt man heutzutage nicht mehr gemütlich in einem der einst vielen Kneipen und Cafés – es gibt eigentlich nur noch eins. Wie das im Sommer geht, bei den Massen von Touristen, die auf ihre Fähre warten, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Die Krise auch hier.

Die Fähre braucht fünf bis sechs Stunden, Zeit zum Dösen und Lesen. Das Schiff ist ziemlich leer, es gibt also auch wenig zum Schauen …

Ich lese Braudel, die passende Lektüre zum Mittelmeer, über das wir vibrierend mit ca. 40 km/h wummern. Und verwundert meine ich, über aktuelle Politik zu lesen.

Doch hat das Oströmische Reich nicht schließlich den Mangel an konstruktivem Haß teuer bezahlt? Womit gesagt wäre, daß die Zukunft jenen gehörte die zu hassen verstehen. Allzuoft sind die Zivilisationen tatsächlich nichts als Verkennung, Verachtung, Verabscheuung der anderen. Aber doch nicht immer nur dies. Sie sind auch Hingabe, Ausstrahlung, sie häufen kulturelle Werte an, Erfahrungen sind ihr Erbe. Soviel die Zivilisationen dem Kampf verdanken, so viel auch dem mannigfaltigen Austausch von Techniken, Ideen und selbst Religionen. Der Mittelmeerraum ist ein Mosaik aus tausend Freveltaten.

Braudel, Duby, Aymard: Die Welt des Mittelmeeres, Fischer S. 106

Der Stellenwert der Wirtschaft

Im Kontext der Geschichte des Mittelmeerraums gehört auch die Wirtschaft zu den maßgeblichen Akteuren. Ohne Wirtschaftssystem, das ihr das Gleichgewicht verleiht, wäre die Gesellschaft nichts, wären die Staaten bewegungsunfähige Körper. Selbst die Zivilisationen können nur dank der Ökonomie bestehen und gedeihen. Blütezeiten sind Zeiten des Verbrauchs, der Verschwendung. Kaum gerät die Wirtschaft in eine Krise, schon werden auf der Baustelle von Santa Maria del Fiore in Florenz die Arbeiten eingestellt, die Kathedrale von Bologna oder die von Siena bleiben auf immer unvollendet.

Braudel, Duby, Aymard: Die Welt des Mittelmeeres, Fischer S. 108

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