Und wer nicht weiss, wo Kraljevo ist, der muss sich nicht schämen sondern der schaut auf die Landkarte von Serbien: Auf dem Weg von Sarajewo nach NiÅ¡… Wir haben das Tagespensum nicht erreicht und sind deshalb hier in Kraljevo hängen geblieben. Ein kleine Stadt, irgendwo in Serbien. Verloren etwas. Auf ihre Art aber wohl voller Leben. Jedenfalls hat sie ein Hotel. Eins, wenn wir richtig geschaut haben bei unserem langen Weg zum Bankomaten. Den brauchten wir wegen der Dinare, denn das Lesegerät für die Visakarte im Hotel ist defekt…
Macht alles nichts, wir sitzen am Ostersamstagabend (richtig: morgern ist orthodoxes Ostern…) im Garten des Hotels, im Hintergrund der Fluss mit ausgiebigem Froschkonzert. Alles umsonst. Auch der erste Mückenstich. Es ist zwar zunehmend frisch, aber immerhin: Serbien im April, nachdem wir heute am letzten Schnee vorbeigefahren sind – und wir sitzen draussen.
Serbien…
… ist ja so ein Problem. Auch für uns. Gleich hinter Sarajewo heute mittag fing’s an – aber halt, der Reihe nach!
Heute morgen haben wir Sarajewo nochmals durchstreift. Mit genügend Licht zum Fotografieren und regem Ostersamstagleben auf den Strassen. Moscheen, Gassen & Gässchen, Trödellläden… Der Kaiserbrücke, auf der der österreichische Thronfolger 1914 zu Tode gebracht wurde, das wunderschöne »neogotische« Rathaus, wies es der Reiseführer nennt. Völlig demoliert. Und, wie ich finde, eher »türkisch«. Egal. Eben sehr schön aber kaputt.
Alles in allem eine faszinierende Stadt, auch wenn wir natürlich nicht überall waren. Wenn man dann in die Berge hochschaut und daran denkt, dass diese Belagerung gerade mal 10, 11 Jahre her ist. Die 20-Jährigen, die hier jetzt so unbeschwert rumflippen, waren da noch keine 10… Und bis heute weiss man angeblich noch nicht, wer eigentlich verantwortlich war und ist für diese Belagerung, für manche Granate. Und ihre MladiÄs laufen immer noch frei herum…
Die Serben. Werden sie bald vom Meer abgeschnitten sein? Wenn Montenegro sich abspaltet? Kommen sie sich dann vor, wie im Gefängnis? Werden sie »rabiat«? Nach all den zerstörten Dörfern dann gleich hinter Sarajewo ein Schild »Willkommen in der freien Srpska…« und das Bild ändert sich abrupt: Wieder alles nur kyrillisch, schmuddeliger alles, kilometerlang der Müll am Strassenrand. Nur, dass es just jetzt zu regnen anfängt – dafür können sie wirklich nichts. Blödes Gefühl, wenn keine Sympathie sich zuzustellen vermag, immer nur Negatives auftaucht. Auch in der Erinnerung. Die Kollegen aus Jugoslawien damals. Die Bosniaken: nett. Die Kroaten: freundlich. Die Serben…
So bilden sich Vorurteile, Verurteilungen.
Haben Serben Zäune?
Ja. Sie haben. Verblüffend: Plötzlich ist alles eingezäunt. Jedes Grundstück, jedes Feld, jede Wiese. Wir verfallen auf den Gedanken: »Alles meins!«.
Und wieder: Trümmer, hohläugige Hausruinen, daneben unangetastete Gräberfelder. Man könnte denken: »Ihre Toten haben sie nicht angerührt. Aber den Lebendenden die Grundlage genommen, oft sogar das Leben.«
Auf der Irrfahrt von Banja Luka ins Gebirge fotografierte ich in Kotor VaroÅ¡ eine funkelnagelneue Moschee inmitten eines alten Gräberfeldes. Ein alter Mann verfüllte am Rande Schlaglöcher mit nassem grobem Kalkgrus. Als ich so dastehe und wohl den Kopf geschüttelt habe, hält er inne und spricht mich serbisch(?) an. Nach meinem Schulterzucken: »Deutsch« ? Als ich bejahe kommt er heran, schüttelt mir die Hand. Er war über 30 Jahre in Deutschland, fast überall, nach dem, was er so aufzählt. Jetzt Rente, früher aufgehört, 18% Abschlag, aber egal… Und er erzählt & erzählt… Die Dörfer oben am Hang – alle leer. Hier im Ort – alle weg. Aber sie kommen z.T. wieder zurück. Und leben hier sicher. »Muss!« sagt er nur. Ein Krieg wie den letzten würde es nie wieder geben.
Nur ein paar Alte noch immer »blablabla«. Aber die Jungen, das ginge gut.