Dienstag, 07.09.2010
Dienstag, 07.09.2010, 19:40:25 :: Novi Vinodolski, Hotel Ema
Ein derart gutes Frühstück wie heute Morgen auf der Hotelterrasse in Promajna hatten wir schon lange nicht mehr. Davor waren wir schwimmen; die Bucht von Kotor am Morgen zuvor war wärmer. Sei’s drum, es war herrlich. Aber man merkt: Wir fahren nach Norden.
Eine langer Fahrt…
…ist das immer durch Kroatien nach Norden, umgekehrt hat man ja immer noch was Neues vor sich. Und gestern gab es wenigstens noch ein paar Zollkontrollen, heute nur noch ermüdendes Schlangefahren im Verband mit offensichtlich gehetzten Menschen. Wir wollten bis Senj kommen und dort irgendwo Unterkunft suchen, Senj, die Stadt meiner Kindheit (weil dort doch »Die Rote Zora« spielt). Ha, ha, ha. Ein Hotel am Platz und Busse. Busse!
Kroatien, Land hinterm Wald?
Ich weiss nicht, ob das repräsentativ ist, aber irgendwie fragten wir uns nach jedem neuen Erlebnis, ob wir wirklich in Europa sind. Massen von Urlaubern, Massen von Zimmerangeboten, mit und ohne Sternen. Aber keines der Etablissements hat einen Internetanschluss. Das einzige Hotel auf der Strecke, in Senj, in dem wenigstens jemand ansprechbar ist, will 120 € für die Nacht. Alle anderen Hotels und Apartmenti unterwegs wissen nichts vom Anschluss an die Welt, sind geschlossen oder der Besitzer ist nicht auffindbar, die Gäste zucken nur mit den Schultern. Es darf einfach nicht wahr sein. Ich frage mich schon, wie es möglich ist, dass in jeder Kneipe mindestens ein, zwei Fernseher dudeln, in jedem Zimmer einer nutzlos rumsteht. Aber die Leute haben keinen Internetanschluss, Telefon haben sie ja wohl. Ich könnte nicht nur verstehen, es fände sogar meine volle, inbrünstige Unterstützung, wenn sie kein Fernsehen anbieten würden. Es gäbe mehr Platz im Zimmer um mal was abzulegen, die Atmosphäre in den Lokalen wäre ruhiger und gelöster, man könnte sich konzentrierter und leiser unterhalten – irgendwie wär’s dann so ähnlich wie im Urlaub…
Aber kein Internet?
Das bedeutet ja, dass sie auch privat keine Gebrauch davon machen. Wie und wo leben die Kroaten? Wie informieren die sich alle? Selbst im äussersten Osten Europas haben wir so was nicht erlebt. Im kleinen Estland schon gar nicht. Aber ich merke bei diesen Gedanken: Der »normale Alltag« beginnt, schon hier unten an der (noch) sonnigen Adria, wieder Besitz zu ergreifen. Der nicht versiegende Verkehr, eine Ortschaft an der anderen, Werbung zum Erbrechen. Es ist wahrscheinlich wie fast überall im »zivilisierten Europa«. Wir sind verwöhnt.
Schliesslich lese ich so im verkrampften Vorüberfahren, so halb aus dem Augenwinkel nur, irgendwo im Grün eines Gartens, »Hotel Ema«. Kehrtwende, Lis geht zum x-ten Mal los. Na endlich! Das nehmen wir, der Preis passt wohl mit 40 € in diese Landschaft, es gibt was zu Essen (wie sich herausstellt, ein hervorragendes), ein Frühstück wird geboten und der Gatte der Wirtin hat Internet, er kommt später aus Zagreb, dann wird das schon irgendwie gehen…
Jo. Der Computer steht in der Rezeption und läuft, das WLAN ist aktiv, aber niemand im Haus kennt das Verschlüsselungspasswort; kommt mir irgendwie bekannt vor. Jeder Mensch kennt seinen Geburtstag; Passwörter sind aber heute viel wichtiger. Der Herr Gemahl ist um 22 Uhr noch nicht zurück. Morgen früh um acht.
Lis und ich zechen und essen daher auf die althergebrachte Art, wie die anderen Gäste (alles Deutsche!) ohne Internet-»Zeitung«, ohne Gezwitscher, ohne Skype. Der Weisswein hat über 15%, gelbe Farbe, ist hinreichen trocken und vernebelt uns die Sinne, nach zwei Gläsern braucht’s wirklich kein Internet mehr heute Abend.
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