* Rund Europa 2011, 11. Tag: Zitsa – Lias – Filiates (Teil 1)

Mittwoch, 01.06.2011, 19:41:51 :: Filiates, Hotel Morféas
Ich sitze hier in der Hotelhalle bei überlauter Rumsmusik und lautlos laufendem TV und versuche mich zu konzentrieren. Die rumänische Bedienung aus Transsylvanien hält die Stellung

Eine Fahrt durch die Berge von Epirus: Ein gewaltiges Erlebnis. Schon gestern, auf der Fahrt von Saranda in Albanien nach Zitsa hatten wir davon mehr als einen Vorgeschmack.

Wir übernachteten in Zitsa in einem einfachen Zimmer einer freundlichen, vom harten Leben dieser Bergdörfer gezeichneten Dorfbewohnerin.

Zitsa hat ca. 600 Einwohner. Die Angabe »1.014 Einwohner« in Wikipedia ist getürkt; unser Freund Kostas erzählt schmunzelnd, wie zur Volkszählung 2001 Busweise »Einwohner« nach Zitsa gekarrt wurden um die Einwohnerzahl aufzuputzen. Es gab wohl Mittel pro Einwohner… Unsere Wirtin zählt zu jenen, die die Scheusslichkeiten der deutschen Besetzung und des anschliessenden Bürgerkriegs als Jugendliche noch erlebt hat; wir sind erleichtert und erfreut, dass sie uns gegenüber sehr freundlich war. Denn das ist nicht überall in Griechenland so: In Kalavrita 2007 wurden wir von einer mutmasslichen Überlebenden dort als Deutsche mit der Weigerung bestraft, uns eine Postkarte und ein Infobüchlein zu verkaufen.

Mit Lord Byron…

…will ich mich beileibe nicht vergleichen, wenn ich über Zitsa und das Epirusgebirge in Lobpreisungen ausbreche. Lord Byron war dort und hat sich dichtender Weise exaltiert:

XLVIII.

   Monastic Zitza! from thy shady brow,
   Thou small, but favoured spot of holy ground!
   Where’er we gaze, around, above, below,
   What rainbow tints, what magic charms are found!
   Rock, river, forest, mountain all abound,
   And bluest skies that harmonise the whole:
   Beneath, the distant torrent’s rushing sound
   Tells where the volumed cataract doth roll
 Between those hanging rocks, that shock yet please the soul.

Lord Byron: Childe Harold’s Pilgrimage

Aber Recht hat er. Als wir unser Zimmer verlassen, liegt noch der Neben in den Hängen.

Nach einem kleinen Frühstück im Hof unser Wirtin endet eine schwierige Unterhaltung mit ihr, nach der Frage ihrerseits nach unseren Kindern, mit einem grossen Lob: Da Lis das Wort »Sohn« nicht einfällt, »Enkel« aber schon und sie ihr mitteilt, sie habe vier Enkel, da ist das Eis wohl endgültig gebrochen und sie ist sehr zufrieden mit uns. Das ganze gipfelt zum Abschied in einer Colaflasche mit – Tsipouro, die sie uns überreicht.

Anschliessend besuchen wir unseren Couchsurfing-Freund Kostas und seine Freundin Anna in der Backstube, wo die beiden diese Köstlichkeiten in unendlicher Handarbeit herstellen, die in ihrer Bäckerei angeboten werden.

Traditionelles wie Weissbrot, Baklava und Pasta selbstverständlich, aber eben auch Brote, die sie gar nicht verkaufen – reiner Eigenverbrauch, denn »die Leute hier mögen keine Veränderungen«. Und diese leckeren Käsefladen, gewendet in Sesam – und frisch aus dem Ofen! In der Bäckerei bedient die Mama und es geht zu wie im Bienenhaus. Und das bei 600 Einwohners, unglaublich.

Wir kaufen, was wir brauchen und schadlos transportieren können, die Pasta wird dann jemand in Naxos für uns alle zubereiten.

Eine natürliche Brücke…

…über den Kalamas, der zuweilen als wild reissender Fluss vom Pindus nach Igoumenitsa fliesst, ist unser erstes Ziel auf unserer folgenden Fahrt nach Lia. Anna macht uns darauf aufmerksam, dass wir da unbedingt vorbei fahren sollen. Und so fahren wir doch noch das Strässchen, vor dem uns am Vorabend die Polizei gewarnt hatte.

Man steigt neben der neuen (künstlichen) Brücke auf gut gemauerten Treppen in die Tiefe,

in die Schlucht, wo der Kalamas mächtig rauscht und sich über Felsbrocken in die Tiefe stürzt. Dabei hat er sich ein Loch durch den Fels gefräst und so die »alte«, heisst natürlich Brücke stehen lassen. Auch auf ihr kann man den Fluss überschreiten, dem alten Fussweg folgend, vorbei an einem Kirchlein.

Das kurvenreich Auf und Ab nach Lia ist entspanntes Staunen und Geniessen – wenn man von zuweilen unversehens auftretenden Strassenunterspülungen, Schlaglöchern und Gesteinsbrocken von den letzten Regengüssen absieht:

Himmlische Ruhe, kein Auto begegnet uns auf der Strecke, Blütenpracht, Ginsterduft,

Gesumme, Vogelgesänge, atemberaubende Ausblicke auf tiefe bewaldete Täler und die die schroffen kahlen Bergwände, die die Grenze zu Albanien bilden. Griechenland gilt ja als artenreichstes Land Europas – man merkt es hier, das Weiss, Blau und Gelb, die im Wind weit ausschwingenden Gräser (die keiner mäht 😉 ), die dichte Bewaldung, in der die Flüsse und Bäche selten zu sehen sind, es ist einfach eine Pracht.

Gefährlich nur ab und an Kühe, Ziegen und die bewachenden Hunde.

Mahnmale finden wir am Weg, für Partisanen und Menschen die hier offenbar umgebracht wurden; viele Hinweise auf das, was unser nächstes Ziel ist.

<––Teil 2

Tagesleistung und Track:

  • 2011-06-01;108;3:09;3:17;72.3;34;16.7;Zitsa-Filiates
  • Track

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2 Antworten zu * Rund Europa 2011, 11. Tag: Zitsa – Lias – Filiates (Teil 1)

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  2. Helmut Hansen sagt:

    Lieber Rainer, liebe Liz,

    ich begleite Euch auf Eurer Reise, wann immer ich die Zeit dazu finde. Eure Eindrücke erinnern mich sehr an unseren Urlaub in Montenegro… man spürt noch sehr viel Ursprünglichkeit, die sich auch in und mit Euren Bildern übermittelt.

    Euch weiterhin eine gute Reise
    mit lieben Grüssen
    Helmut

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