* Rund Europa 2011, 8. Tag: Pukë – Foča

Dienstag, 06.09.2011, 19:59:26 :: Foča, Hotel Zelengora

Anmerkung: Erste Vorabversion

Irrtum

Wenn wir gestern geglaubt hatten, wir hätten die Mörderstrecke dieses Sommers erfolgreich und wider Erwarten gut hinter uns gebracht, so war das ein Irrtum. Denn was wir heute – nein halt, zuerst das Frühstück. Nein! Viel früher beginnt der neue Tag.

Der Muezzin ruft zum Gebet

Echte Männer, die mehrmals am Tag oben auf dem Turm der zugehörigen Moschee stehen, die Hände zum Trichter geformt und gellend-halbtönig die Gläubigen zum Gebet rufend – das gibt’s wahrscheinlich nur noch bei Karl May und im Film.



Quelle: Wikipedia, Muezzin

Jedenfalls kennen wir auf Reisen nur den »Elektronischen Muezin«, die Stimme von der Konserve, laut und dazu angetan, jeden, aber auch jeden Tiefschläfer in die raue Wirklichkeit zurück zu holen. Das passierte heute Morgen in völliger Dunkelheit. Danach heulten die Katzen, dann krähte ein Han, aber in einer völlig a nderen Sprache als unsere Göckel und auch ein Hund tat das Seine dazu. Fazit: Schluss mit Schlafen, das Hirn ist wach, fängt an nachzudenken. Über Sinn und Zweck, die Frage ob Toleranz geboten oder das Ganze eine Zumutung ist, ob man oberbayrischen Drei-Glocken-Klang mit lautsprechergenerierter Gebetsaufforderung vergleichen kann oder darf oder gar muss.

Das Omelett jedenfalls ist perfekt, der Käse zu salzig, das Teewasser zu wenig, die Marmelade fehlte. Aber das Brot ist getoastet. Hingegen die schon wieder aufgedrehte Dudelmusik zu laut; ich schiebe den Regler zum wiederholten Mal nach unten.

Nachdem wir erst heute Morgen festgestellt hatten, dass Albanien ja MEZ hat und nicht die griechischen GMT+2 fuhren wir also heute eine Stunde früher los. Unser Weg nach Shkoder führte uns den Weg von 2007 rückwärts; es ist seltsam, dass Fahrten in die Gegenrichtung tatsächlich völlig neue Perspektiven eröffnen. Die Welt sieht anders aus aus der Gegenrichtung. Wie anders, das wussten wir da noch nicht, als wir durch die Berge gen Skoder »schwebten«, fast alleine auf weiter Flur.

Shkoder

Das Hotel Europa (*****) hat gegenüber 2010 (exakt vor einem Jahr!) um fast 40% aufgeschlagen. Die angedachte Arbeitspause entfiel damit. Und so machten wir uns ohne Pause auf den Weg nach Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro. Diesen Weg fuhren wir ebenfalls 2007, in umgekehrter Richtung; in der Erinnerung eine beschauliche und unkomplizierte Fahrt entlang des Ufers des Sees, durch Alleen von Granatapfelsträuchern. Soweit die Erinnerung.

Der Horror beginnt…

…als wir Shkoder nach Norden verlassen: Nicht beschreibbares Chaos auf der Ausfallstrasse. Ausfall? Strasse?? Alle Verkehrsteilnehmer bewegen sich auf beliebiger Strassenseite in beliebige Richtung. Dazu pfeift ein Polizist und rudert mit den Armen. Indes: Was vor vier Jahren noch Strasse war (zu den Bedingungen, zu denen man den Grossteil albanischer Verkehrswege so nennen kann), ist nur noch eine pistenartige, kalkige, fast schneeweisse staubige Geröllhalde, voller tiefer Rinnen, Löcher und Felsbrocken. Wohlgemerkt: Hierauf verkehrt alles, vom Fussgänger (Kinder!) über Fahrradfahrer bis zum Fünfachser. Zuweilen mischt sich ein Laster ein, der langsam entlang fährt und eine Pistenseite mit Wasser besprengt, was den Staubgehalt zwar senkt aber nicht wirklich hilfreich ist, denn die andere Seite staubt ja weiter und hinter ihm staut sich, was eigentlich abfliessen soll. So fliesst nur das Wasser. Und wir fallen mit unserem Senfle im ersten Gang von einem Loch ins nächste; was ihm hörbar nicht behagt.

Mit kurzen Unterbrechungen geht das bis fast zu Grenze, die wir dann zügig ohne Wartezeit passieren. Grenzkontrollen sind mittlerweile keine Affäre mehr. Nur am montenegrinischen Posten möchte uns ein junger Mann die obligatorische Öko-Plakette für 10 € verkaufen; unsere sei gestern abgelaufen – deshalb hatte er so interessiert unsere Windschutzscheibe inspiziert. Er hat recht. Am 5.9.2010 hatten wir den erstanden, Gültigkeit ein Jahr. Nur: Wir habe keine 10 €, wo hätten wir die erwerben sollen, seit wir alle in Pogradec ausgegeben hatten? Lis kratzt 7,50 € in Münzen zusammen. Und vergisst, in meinen Geldbeutel zu schauen. So sparen wir 10 €, denn der junge Mann meint, wir sollen eben ohne fahren, nächstes Mal wieder…

Kurz vor Podgorica, in Tuzi, können wir endlich Geld holen, echte EURO, die ja in Montenegro reguläres Zahlungsmittel sind, trinken eine Cola im Rentnertreff gegenüber der Bank und bewundern, dass im unmittelbaren Umkreis zwei Albanische Parteien in Montenegro Flagge zeigen – eine alternativ, die andere demokratisch; die dritte verrät sich nicht: »DSP« hört sich eher serbisch an. Ein Schmelztiegel ist diese Ecke des Balkans…

Podgorica…

…umfahren wir elegant auf tadelloser neuer Ringstrasse in Richtung Niksic, wo wir dann ein Hotel suchen wollen.

Nikšić

Nikšić hat eine tolle alte Festung aber Hotelpreise, die uns in die Flucht schlagen: 100 € für ein Doppelbettzimmer über einem Supermarkt an der Hauptverkehrsstrasse; man kann sich ausmalen, was dann was Richtiges kosten würde.

Irgendwo hinter NikÅ¡ić auf dem flachen Land kaufen wir in einem Supermarkt ein gegrilltes Hähnchen, Wurst und Brot und Eistee – einem Picknick unter einem Baum aber ohne See oder Bächlein steht da nichts mehr im Wege (Nähe Gornje Polje).

Plužine,…

…neu erbaut, aber malerisch gelegen am riesigen Stausee der Piva, die mit der Tara die Drina füttert war dann das Ziel, das alles wahr machen sollte: Hotelchen am See mit Internet und 1, 2 Tage Pause. Doch daraus wurde ebenfalls nichts: Das Hotel entpuppt sich als heruntergekommene ehemalige sozialistische Jugendherberge – natürlich ohne Internet, aber immerhin mit Seeblick. Aber das reicht nicht. Und so geht’s auf die letzte Etappe, durch wahre Schluchten des Balkan: Piva und Tara geben da alles, ein Muss eigentlich – aber wir sind glücklich über den geringen Verkehr, ausser ein paar englische Motorradfahrer treffen wir niemanden. Am Zusammenfluss von Tara und Piva liegt Hum, der Grenzort nach Bosnien und Herzegovina hinüber, wo uns sofort aufdringlich die Teil-»Republica Srpska« willkommen heisst.

Auf nach Foča!

Das Hotel dort kennen wir. Foča, eine der Serbenhochburgen in BiH, hatten wir ja 2007 schon. Der Internetwunsch für’s Hotel verliert an Kraft, denn so langsam wird es Abend. Und so landen wir nach kurzem Suchen in dem – wohl sozialistischen – Überbleibsel, dem Ein-Stern-Hotel am Platz und beziehen wieder »unsere Suite« im vierten Stock mit Ausblick auf das rote Wellblechdach auf dem grossen Platz.

Und massenweise WLAN!

Die Freude ist zunächst gross: Auf dem Balkon melden sich auf dem iPad ungelogen an die zehn offene WLANs. Nur: Keines lässt uns nach dem Einbuchen ins Internet. Der Internetschuppen nebenan hat zwar ein WLAN, gibt aber den Zugangscode auch nicht für Geld her. Erst als wir dann ins nahegelegene Café sitzen, Cappuccino und Bitter Lemmon bestellen und nochmals prüfen – da tut es! Und so verschaffen wir uns eine politischen Überblick, skypen und erledigen die Emails während die serbische Trainingsanzugsmehrheit sich dem Beamer-Fussballspiel auf der Grossleinwand hingibt. Welche Ausländer dort gegen welche Ausländer spielen ist nicht erkennbar und interessiert uns auch nicht; aber Lis meint, da dröhne die polnische Nationalhymne…

Tagesleistung, Tracks & Links:

  • 2011-09-06;289;7:08;2:11;85.6;40.5;31.0;Puke-Foča
  • Track
  • Webseite Foca :: Njegoseva 4, 73300 Foca, Republika Srpska, Bosnia and Herzegovina, Tel: 387 (0) 58 210 013

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