Donnerstag, 08.09.2011, 21:52:42 :: Derventa, Hotel Biser
Vorläufig!
Wenn jemand Slavonski Brod als zu teuer empfindet, dann hat er recht. Und dann kehrt er um und übernachtet 26 km entfernt, in Derventa im dortigen Hotel Biser. Das ist keine Werbung sondern bittere Notwendigkeit; allenfalls Antiwerbung – von Herzen. Die Hotelpreise liegen in Slavonski Brod nämlich zwischen 90 und 160 € pro Nacht und Doppelzimmer. In der hintersten Ecke von Slavonien. in Derventa liegen wir bei 50 €, aber für allererste Hotelsahne. Nur eben in BiH und nicht in HR wo wir schon letztes Jahr Zweifel an der Anständigkeit der Preisfindung hatten.
Aber ich fange schon wieder hinten an. Hopp-hopp, zurück.
Mein Frühstück fiel mager aus, bewusst, da Angst vor Rückfall; andererseits muss der Magen was kriegen, wegen der Medikamente. Aber Lis wahr sehr zufrieden, auch die Zwetschgenmarmelade war vorzüglich, das Brot frisch. Warum ich das schreibe? Nun, es ist eigentlich das erste Mal seit längerem, dass alles passt…
Unsere Route heute…
…soll uns vor allem nach Tuzla und nach Slavonski Brod führen, wo wir auch eine Freundin treffen wollen.
Eine Landschaft…
…wie auf der Schwäbischen Alb, wie auch schon in grossen Teilen gestern, dann wieder wie Schwarzwald. Bosniaken müssen sich in Süddeutschland wie zuhause fühlen. Der Hinweis muss sein, denn wir begegnen einigen, nicht zuletzt in Restaurants und Cafés am Strassenrand, die Deutsch sprechen; der Hähnchenverkäufer vorgestern z.B. hat zwei Brüder in Hannover, die Wirtin heute war fünf Jahre in Augsburg – geflüchtet im Bosnienkrieg, gebürtig aus Sarajewo, heue verheiratet in der Provinz. Sie freuen sich alle, dass wir tatsächlich zum Kennenlernen durch ihr Land fahren und scheinen fast dankbar, dass wir es schön finden hier. »Aber Deutschland ist auch schön« haben wir heute wieder gehört. Warum es »schön« ist, wenn man nach Kriegsende zurück nach Bosnien geschickt wird, ohne zu wissen, was nun werden soll – aber so hat sie es wohl nicht gemeint, die Wirtin, die zwischen Kaffee kochen für uns (»ich habe aber nur Türkischen«, dem Himmel sei Dank! Endlich wieder anständigen Kaffee!) und Blumen giessen Zeit fand, mit uns zu plaudern.
Tuzla…
…hat uns sehr überrascht. Diese im Bosnienkrieg ebenfalls stark beschädigte Stadt ist im historischen Kern zum grossen Teil renoviert, der Hauptplatz mit Brunnen und Salinenbau (?) strahlen, das ganze »riecht« sehr stark nach k.u.k.-Zeit, Ähnlichkeiten mit Maribor und Banja Luka sind unverkennbar und kein Zufall…
Es ist einer der wenigen Fälle, dass die Bürger einer Stadt sich über konfessionelle Grenzen hinweggesetzt und ihre Stadt gemeinsam verteitigt haben, wie hier in Tuzla:
Im Gegensatz zu den meisten anderen Städten wurde Tuzla in dieser Zeit aber nie von nationalistischen Parteien regiert und auch während des Krieges arbeiteten bosniakische, kroatische und serbische Bewohner weiterhin zusammen und verteidigten die Stadt auch gemeinsam gegen die Angriffe durch serbische Nationalisten.
BrÄko sollte eigentlich auf unserem Weg nach Sl. Brod liegen, seine Sonderstellung im und nach dem Bosnienkrieg interessierte mich; sie ist ein offenkundiges Beispiel dafür, wie die »ethnischen Säuberungen« durch die serbischen Nationalisten gewirkt hat.
Aber die Zeit erzwingt eben hie und da Kompromisse, wir kürzen ab.
Entlang der Save…
…dem Grenz- und Schicksalsfluss fahren wir bis Bosanski Brod, dem bosnischen Gegenpart zu Slovenski Brod; der Irrsinn der Teilungen wird auch immer wieder in den Ortsnamen deutlich (vgl. Gorasde, Novi Gorasde…).
Die Grenzgebiete…
…zu Kroatien strotzen immer noch, mittlerweile 11 Jahre nach Ende des Bosnienkriegs, vor Ruinen, ausgebrannten Resten, die mittlerweile die Natur überwuchert hat, nur der Schornstein ist einmal gerade noch sichtbar. Selbst Bauruinen, die neu aussehen, sind voller Einschüsse, verlassen, wurden nie fertig. Manche Gebäude wurden aus gesammelten alten Ziegel neu hochgemauert, doch wirklich fertig, wohnlich sind nur wenige. Wie eine Gesellschaft es schafft, jeden Tag aufs Neue anzusehen, was sie angerichtet hat an Scheusslichkeiten, wie prägt das? Ist das ein Grund, weshalb ein lächelnder Serbe fast ein Geschenk ist? Es ist auffällig: Bosniaken lächeln, fast wie Albaner, Serben selten oder nie.
Dann fährt man wieder an kilometerlangen Siedlungen vorbei, ein Haus wie das andere, Neuansiedlung von Flüchtlingen, die nicht mehr leben können/wollen, wo sie vertrieben worden waren: Der Balkankonflikt wird uns noch viel, viel Mühe kosten, auch wenn die Mehrzahl der »Gut-Europäer« die Augen heute verschliesst.
Moscheen und Kirchen…
…stehen selten in einem Ort beieinander, aber manchmal doch: Dann sind die Bewohner, auch auf der offiziellen Webseite, stolz darauf, dass das bei ihnen funktioniert.
An Derventa…
…sind wir übrigens 2007 vorbei gefahren (2007-05-04 SlavBrod-Foca). Wie schnell vergisst man, wie gut, dass es es Tracks gibt…
Tagesleistung, Tracks & Links:
- 2011-09-08;278;5:27;2:46;93;51;33.8;Vlasenica-Derventa
- Track