Montag, 23.07.2012, 22:22:56 :: Raudondvaris
Der erste sonnige Tag seit langem
Da mussten wir zuschlagen. Raus. An die Luft. Eigentlich wären wir gerne losgefahren nach Nidda auf die Kurische Nehrung. Aber wir müssen noch das Fest am Freitag vorbereiten. Dazu brauchen wir Vincas. Vincas ist aber mit dem Pferdelaster letzte Nacht in Panevezys stecken geblieben. Motorschaden. Sie waren seit Donnerstag bei Balic Cup nahe Riga und auf der Heimfahrt. Einen Teil der Mannschaft haben freunde letzte Nacht noch dort abgeholt. Jurate musste ja zur Arbeit heute Morgen. Also nichts mit Fest planen für’s Erste.
Aber Europos Parkas am Nachmittag. Das ist immer eine gute Idee und das aus verschiedenen Gründen.
Erst mal hinfahren
Es ist echte, urige Litauenlandschaft. Luftlinie sind das keine fünf Kilometer, nur die Strassen verlaufen etwas anders. Das wissen wir und wundern uns dann auch nicht über das Gehoppel durch Schlaglöcher und Sandkuhlen. Man hoppelt nämlich durch das Tal der Neris, die hier Richtung Vilnius mäandert, mit herzigen Datschensiedlungen, blinksauber, mit Blumen reichlich garniert und Storchennestern ausstaffiert.
Ein Projekt hat uns aber dann doch…
…wieder in die Wirklichkeit zurück geholt, nachdem wir gerade den fertigen Strassenteil gelobt hatten, auf dem wir plötzlich landeten. Da war wieder das Geld ausgegangen, die Brücke über ein Bächlein, eher eine Kleinigkeit in meinen Augen, geriet hier zum Riesenbaustellenfriedhof.
Nicht so Europos Parkas. Zunächst war das Projekt eine grosse Idee, die der blutjunge litauische Bildhauer Gintaras Karosas in der Wendezeit hatte: In Litauen lag nach neuester Erkenntnis das Zentrum Europas, was lag also näher, als auch ein Zentrum der Kunst hier anzusiedeln? Er fand Geldgeber, gewann weltweit und insbesondere europäische Künstler, die in dem auserkorenen Wald ihre Skulpturen aufstellten oder sie vor Ort entstehen liessen.
Auch heute, nach 25 Jahren, ist dieser Skulpturenpark immer einen Besuch wert. Man spaziert auf den weichen Waldwegen, immer auf der Suche nach der nächsten »Erscheinung«. Vieles ist seit meinem ersten Besuch 1995 dazu gekommen, vieles ist verschwunden, fast immer haben sich die unmittelbare Umgebung der Skulpturen, aber ach die Stücke selbst, verändert: Der Wald wächst weiter, Wetter, Moos und Alterung legen ihre Patina darüber.
Verschwunden ist vor allem der TV-Irrgarten, einst die weltgrösste Installation mit TV-Geräten im Guinness-Buch der Rekorde. Besucher, Wind und Wetter haben die Installation zerstört, sie wurde bis auf einen kümmerlichen Rest abgebaut und zum Elekro-Recycling gegeben.
Was war so Besonderes daran? Man ging in einem endlos scheinenden engen Labyrinth zwischen weit übermannshohen Wänden aus aufeinander getürmten alten Fernsehgeräten. In der Mitte traf man unvermittelt auf einen etwas weiteren Platz, auf dem eine gestürzte Leninfigur den berühmten Arm bedeutungslos in die Luft streckte. Alles in allem eine bedrückende aber beeindruckende Szenerie, die ich zuerst bei Eis und Schnee erlebte, unsicher auf vereistem Waldboden. Ja, und das ist übrig geblieben: Ein kleiner Teil nur, exemplarisch hinter Glas, der Rest des Labyrinths nur noch an den eisenrohrgefassten ehemaligen Wegen erkennbar, die man nun mit freiem Blick auf den umgebenden Wald abgehen kann.
Ein paar Bilder in der Picasagalerie mögen einen Eindruck vermitteln, aber nur der Besuch erschließt Idee und Wirkung.
Was dann auf jeden Fall sein muss, ist eine erholsame Pause im kleinen Freiluftrestaurant am Ende des Rundgangs. So schön, so ruhig sitzt man selten in einem Café, bei – ja richtig: Cappuccino, einem Salätchen vielleicht…
und einer Litauischen Schokolade. Die kommt in einem kleinen Tässchen, mit Sahneschaumkrönchen und Schololadensträusel. Soweit nichts Besonderes? Ok., aber trinken wird dann erst mal schwierig und zum Erlebnis: der Rest ist eher zähfliessen, saumässig süss und intensiv – aufgeschmolzene Schokolade! Lecker!! Wirklich!!!
Lis erinnert mich mitten im Genuss an einen meiner Glanz-Fauxpas‘. Wir waren in Vilnius beim Opernabend, es ist Jahre her, und waren in der Pause ans Büfett getreten und hatten uns eine Schokolade (!) bestellt. Sie kam, wie gerade geschildert, jedoch mit Haselnüssen angereichert – geschmolzene Schokolade mit Haselnüssen und Sahne. Ein wahres Gedicht, das sich gleichberechtigt neben die musikalische Darbietung schob. Und mir wohl die Wahrnehmung der realen Umgebung trübte. Denn ich als ich mit meinem Tässchen fertig war, stand neben mir ein zweites. Das ich gerne nahm und verputzte. Was ein Fehler war. Denn was mir entgangen war: Leicht hinter mir stand die Person, die das Tässchen dort abgestellt hatte… Nun, es kam nicht zum Duell, aber es war unendlich peinlich.
Jebenfalls, wir geniessen Umgebung und die Speisekarte. Viele Besucher kommen vorbei und setzen sich nicht – Lebenskünstler im Künstlerpark? Eher nicht, wir sitzen fast alleine hier, zwitschernde Vögel nicht mitgerechnet.
Picasa
Nachtrag:
2012.07.27, 18:20 :: Google hat bei Picasa für das iPad gepfuscht. Das ist ärgerlich. Ich habe bisher keine Möglichkeit gefunden, auf dem iPad diese dämliche GooglePlus-Applikation zum umgehen. Es hilft nur eins: Nicht das iPad nutzen. Und dass man immer noch Flash braucht – bei Google beschweren bitte…
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