* Rund Europa 2012, 56. Tag: Liubavas – Karosas‘ zweites Projekt

Donnerstag, 26.07.2012 :: Raudondvaris / Liubavas
Montag, 06.08.2012, 13:58:32 :: Raudondvaris

Violett: Die Tour zum Europos Parkas (der Kringel bei Skirgiškės) und Rot nach Liubavas

Gintaras Karosas hat mit dem Europos Parkas ja eine glückliche Hand bewiesen. Was lag also näher, als ein nächstes »Opfer« zu suchen und nochmals etwas Vergleichbares aufzubauen. Dazu muss man erst einmal eine Idee haben, ein Objekt finden – und Geldgeber.

All das hat er wohl ein weiteres mal – ganz in der Nähe des Parks – geschafft und das bisher Erreichte haben wir heute besucht. Trotz drückender Hitze. Denn bei Regen geht das erst recht nicht.

Man erreicht das Gutsgelände von Raudondvaris aus in weniger als einer halben Stunde, zuletzt auf holpriger Sandpiste, vorbei an Holzkaten, neuen landwirtschaftlichen Gebäuden und wie verwunschen liegenden Teichen und kleineren klassizistischen Ruinen.

Das Gut Liubavas…

Gutskomplex oben Mitte, Mühlengebäude oben ganz rechts, dazwischen die Kapelle

…hat in den 500 Jahren seiner Geschichte seit der Mitte des 16. Jh. viele Herren erlebt, je nachdem, wer gerade die Herrschaft ausübte in dieser Gegend: Litauer natürlich, Polen, Russen, Deutsche. Geblieben ist ausser einer reichen erzählbaren Geschichte der regierenden Geschlechter und der Müllersleute nicht viel – ausser eben der Wassermühle, um die es hier geht und die zu besuchen sich wirklich lohnt. Karosas bezeichnet das Anwesen als das »romatischste Herrenhaus Litauens«. Selbst der Name – aber dazu später. Die Renovierung ist m.E. wunderbar gelungen, die hölzerne technische Einrichtung ebenso wie die Restauration des Transmissionswirrwarr und die Präsentation der Teile, einschliesslich des letzten Generators, der die Umgegend bis in die 1950-er-Jahre noch mit elektrischer Energie versorgt hat. Viele Teile seit dem 19. Jh. stammen aus deutschen »Eisenwerken«. Und nicht nur eine Kornmühle wurde hier betrieben: Eine Papierfabrik soll hier ebenfalls gestanden haben. Und bereits im Laufe des 19. Jh. versorgte ein erster Generator das Anwesen und die Umgebung mit der neuen Wunderenergie.

Ein Geheimnis?

Nur eines bleibt im Dunkeln: Vom Gut, speziell vom Herrenhaus selbst steht nichts mehr, lediglich die klägliche (aber irgendwie romantisch-traurige) Ruine eines der beiden Seitengebäude des ursprünglich aus drei Gebäuden bestehenden Komplexes, dessen Hauptgebäude ausweislich eines Foto Anfang des zwanzigsten Jh. noch stand, ist sichtbar. Selbst von der Kapelle ist ausser dem Grundriss und einem einsamen Engelstandbild nichts übrig.

Kein Prospekt, keine Schautafel gibt Auskunft, es kommt mir vor, als würde hier ein Vorkommnis bewusst verschwiegen. Ich werde das versuchen zu klären, einfach weil ich es nicht verstehe. Der letzte Besitzer wurde 1940 während des Zweiten Weltkriegs von den Russen erschossen, als er sich nach Vilnius durchzuschlagen versuchte – als Gutsbesitzer und Intellektueller war er wohl unbesehen ein Volksfeind.

Dass der russische Name Любовъ dem Namen des Gutes am nächsten kommt und mit Liebe zu übersetzen ist, ist da nur noch die letzte ironisch-schrille Arabeske.

Das Mühlenmuseum

Ganz am Ende des Weges liegt dann das Mühlenhaus, wie schon oben bemerkt, auf’s Allerfeinste renoviert, an diesem traumhaftem Teich,…

…aufgestaut zur Versorgung der Turbine und des angeschlossenen verwirrenden Riemen- und Räderwerks. Auf drei Stockwerken bestaunt man, was mit viel Holz und Transmissionsriemen alles geht. Und nicht zuletzt die Zahnräder, Lager, Achsen, Aggregate und Werkbänke aus den Anfangszeiten der Eisenindustrie des 19. Jahrhunderts. Und eine Elektroinstallation, die heutzutage jeden Auszubildenden der Elektrikerzunft in Verzückung geraten oder vor Entsetzen umfallen lässt; je nach Neigung eben.

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