* Rund Europa 2012, 118. Tag: Generalstreik in Griechenland

Mittwoch, 26.09.2012, 18:29:22 :: Azalas und Chora

Dass Naxos nicht irgend ein verlorenes Eiland irgendwo in der Ägäis und aus der Zeit gefallen ist, das wurde heute wieder deutlich. Auch hier, nicht nur in Athen, zeigen die Menschen in grosser Zahl ihren Unmut über ihre Regierung, die ja immer noch und auch die Verursacherin der griechischen Zustände ist (jedenfalls, was das Hauptpersonal betrifft) und über die eigentlichen Strippenzieher darüber und dahinter.

Das endgültige AUS…

…für den Schmirgelabbau (vgl. Links unten) auf der Insel wurde auch vor ein paar Tagen verkündet. So unsinnig er all die Jahre aus wirtschaftlicher Sicht war: Für die Dorfbewohner in den Bergen, denen die Existenzgrundlage mit der synthetischen Korundherstellung schon vor Jahrzehnten genommen wurde, hing aber immer noch die Sicherung ihrer Rentenansprüche am unsinnigen und mühseligen Fördern und Aufschichten des einstmals für Deutschland so wichtigen Korunds. Ungeklärt, was sein wird.

Es kommt eben viel zusammen: Radikaler sozialer haircut, Steuern an jeder Ecke und von jedem, auch wenn er nichts hat, selbst für stillgelegte Autos und von Obdachlosen. Nur an die Vermögen, da geht keiner dran. Die Brutalität des Vorgehens gegen die breite Bevölkerung ist so offensichtlich, dass blosse Wut und dieser Generalstreik recht eigentlich nicht mehr reichen – sie ändern nichts am System, das korrupt und in seiner grundsätzlichen kapitalistischen Ausprägung eben ungerecht ist.

Uneinige politische Kräfte

Dazu kommt natürlich noch die politische Hilflosigkeit, selbst auf der Insel: Dass Konservative sich nicht in die pralle Septembersonne stellen, ok., abgehakt. Aber dass zur selben Zeit auf der Paralia mehrere (mindestens zwei) nach gängiger Verortung linke Gruppen Veranstaltungen abhalten, um den Menschen Papier in die Hand zu drücken und Reden zu halten, zeigt, dass selbst in der grössten Not die Kräfte nicht gebündelt werden. Das Dilemma, hier wie überall: Es gibt keine starke Bewegung gegen den ausufernden Kapitalismus und seine Nutzniesser, keine grundlegend neuen Ideen, wie dieser sich und uns alle vernichtende Monster gestoppt werden kann. Denn Streiks, das haben die Medien ja mittlerweile erfolgreich fast flächendeckend jedem ins Hirn geblasen, schaden. Nicht denen, gegen die er sich richtet, sondern denen, die keine Bus, keinen Flug, keine Fähre und ihre Einkäufe nicht geregelt bekommen. Die Unternehmung, die Menschen dazu zu bringen, sich gegen ihre eigenen Interessen zu wenden, war sehr erfolgreich. Demonstrationen? Die regelt die Polizei doch so nebenher, zur Not mit Gummigeschossen (zuletzt in Madrid), Wasserwerfern (Stuttgart ’21) etc. – Die Herrschenden sind bestens gerüstet. Sie wissen, wie sie sich verteidigen müssen. Und wer das zahlt, das Fernhalten des Volkes von der Macht. Die Krise hat eben am wenigsten mit irgendwelchen Nachlässigkeit an der EU-Südflanke zu tun, sie ist eine Krise des kapitalistischen Systems.

Wird irgendwann Blut fliessen?

Diese Frage wird ungern gestellt und noch weniger gerne beantwortet. Aber das Aufrüsten im Innern, die zunehmend kriegsmässige Ausstattung der Polizei, die Diskussion um den Einsatz des Heers im Innern, die Abwendung vom Bürger in Uniform, der Einsatz von Söldnerfirmen die Diskussion um unbemannte Drohnen – alles deutet darauf hin, dass die Herrschenden damit rechnen, dass Sie zum letzten Mittel greifen werden, wenn »gated areas« und Polizeiaufmarsch nicht mehr ausreichen. Die »Festung Europa« wird nicht nur gegen boat people und illegale Einwanderer errichtet.

Solche Gedanken kann man haben,…

…wenn man Ende September in der glühenden Mittagssonne auf dem Platz am Hafen einer kleinen (nicht der kleinsten!) Ägäisinsel steht, ausser den Emotionen der Redner wenig versteht, aber sieht, dass es die Menschen bewegt, sie zusammen kommen, hilflos, wütend – und uneins. Sonnenstich? Eher nicht. Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit treffen eben (fast) immer die Falschen, die, die sich nicht wehren können, es zwar wollen, aber letzen Endes hilflos rudern. Denn das Gesetz ist eben nicht für die Arbeitenden gemacht – da irrt sich jemand, der seinen Marx nicht gelesen hat – sondern von und für die Herrschenden.

Und die schauen lächelnd zu und schicken zwei Polizisten zur Regelung des PKW-Verkehrs vom und zum Hafen. Damit ist deren Problem mit der Kundgebung gelöst. Punkt.

Links:

Darf ich darauf hinweisen, dass die nachfolgenden Hinweise nicht aus der linksterroristischen Kiste stammen?

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