* Rund Europa 2012, 136. Tag: Es herrscht Stille

Samstag, 13.10.2012, 12:49:03 :: Hotel Elizabeth, Naxos

Vorbemerkung für alle, die es vergessen haben oder gar nicht wissen: Es lohnt sich – besonders natürlich bei den Panoramen – das Browserfenser maximal gross zu haben und auf die Bilder zu klicken…

Es war zwar klug, aber eigentlich schiere Faulheit, dass ich den Artikel über unsere Rückreisepläne gar nicht erst angefangen hatte. Ich hätte ihn und mich dann korrigieren müssen – wie so oft, was unseren Gesamtplan angeht.

Eigentlich wären wir ja schon längst in Deutschland, hätten wahrscheinlich die Heizung etwas hoch gedreht, die Sandalen und kurzen Hosen weg gepackt und die dicken Sachen zurecht gelegt und angezogen, 9°C und bewölkt ist ja schliesslich was anderes als 24°C und Sonnenschein bei leichter Brise. Das haben wir hier auf Naxos, wo wir immer noch hängen.

Für vergangenen Mittwoch hatten wir die Karten für die Fähre schon erstanden, im Geiste auch schon gepackt. Da fand Maria beim Frühstück, dass das doch nicht ginge, dass wir jetzt gehen, jetzt, wo es endlich ruhiger wird. Und sie Zeit hat, was gemeinsam zu unternehmen.

Und es stimmt: Wir können an fast jedem Ort und zu jeder Zeit den Zustand herstellen, den wir ja immer wieder hatten und haben: Lis und Reinard sitzen alleine… Die Touristen ziehen ab, gut, ein paar kamen auch, von dort, wo jetzt Herbstferien sind; ein paar Kinder tollen hier herum, die eigentlich in die Schule gehören. Herbst! Es ist schon wieder Herbst! Aber hiervon ist nur etwas zu spüren, wenn man feinfühlig genug ist: Die Luft wirkt dünner, es ist schlieriger, der Sonne fehlt die Kraft, die ich gar nicht liebe. Ein schöner Herbst auf der Insel.

Nur der Regen,…

…der lässt immer noch auf sich warten. Die Oliven insbesondere bräuchten ihn dringend. Die Olivenblätter winden sich, die Oliven sind zahlreich aber miggrich und würden mit Regenwasser wohl zu prallen Dingern werden. Allein, er will nicht kommen, ausser schüchternen Wolken, die vielleicht tausend Tropfen fallen lassen ehe sie wieder verschwinden, ist da nichts. Und nichts in Sicht.

Wie gesagt, diesen Herbst…

…sollten wir nutzen, fand Maria, rief beim Reisebüro an, schickt Lis dort hin und schon waren die Tickets getauscht. Für Montag, 15. Oktober. Endgültig. Unwiderruflich. Garantiert. Ehrlich. – Wenn nichts dazwischen kommt. Dann gilt der längst schon aufgestellte Reiseplan. Vorläufig jedenfalls.

Reiseplan

1. Naxos – Piräus – Etoliko: 269 km
2. Etoliko – Serande: 275 km
3. Serande – Vlore: 120 km
4. Vlore – Tivat: 368 km
5. Tivat – Split: 314 km
6. Split – Triest: 420 km
7. Triest – München: 492 km
8. München – Hochdorf: 251 km

So ungefähr jedenfalls. In der Summe sind das 2.510 km, 9 Tage bei 300 km/d. Wenn’s wider Erwarten noch irgendwo schön ist unterwegs, der Schnee der Alpen oder ein Wehwehchen des Senfle uns stoppt – wer weiss, dann werden’s ein paar Tage mehr. Oder es ist so scheusslich, dass ich dem Twingo die Sporen gebe. Dann werden’s vielleicht sogar 1, 2 Tage weniger. Jedenfalls, der Wille zur Heimkehr ist vorhanden; es gibt Menschen und Institutionen, die auf uns warten.

Und was macht man hier auf Naxos an solchen Tagen?

Nun, man steht morgens auf, geht schwimmen in der kleinen Bucht. Bei dieser Windstille liegt das Meer bleischwer und flach. Man muss nur vor neun Uhr drin sein. Sonst kommt die Fähre aus Thira und macht alles kaputt, macht Wellen, die dann für ein paar Minuten ans Ufer schwappen. Aber sie brauchen lange bis zur Ankunft. Dennoch: Immer wieder beindruckend, was so ein Schiff für Wellen macht. Würden das die Kapriolen unserer Politiker doch nur auch tun…

Frühstück in der Gasse

Bbevorzugter Platz ist jetzt endgültig der kleine Tisch neben dem Hoteleingang, mitten auf der Strasse sozusagen, mitten im Geschehen. Wo im Sommer ein ständiges Hin und Her der Touristen, des Hotelpersonals der umliegenden Hotels und der knatternden Dreckschleudern also der Mietwaren, -buggies und -mopeds den Aufenthalt zuweilen schwierig macht, da herrscht jetzt fast himmlische Ruhe. Touristen? Gegenüber ist die griechische Rentnertruppe eingezogen, sie kommen jedes Jahr und wer’s nicht weiss, wird sie eben für Einheimische halten. Sie schnattern, wie Griechen eben so schnattern. Das Bäckerauto kommt vorbei und bringt Frischware, ofenwarm. »Unser« Käptn kommt vorbei, bringt Grünzeug (Horta) für die Küche, trinkt ein Gläschen von Vater Dimitris Wein, klopft ein paar Sprüche, wahlweise auf Griechisch, Englisch oder eben Deutsch, er beherrscht das alles und sucht dann sein Moped auf der falschen Seite ehe er wieder abdüst. Eine Freundin von Maria kommt aus Moldavien. Sie arbeitet im Hotel um die Ecke und kommt des Öfteren vorbei. Sie freut sich, dass wir dort schon waren und ihr Land loben. Was keine Kunst ist, wir fanden es wunderschön dort.

Bei uns im Hotel residiert – fast hotelfüllend – eine dänische Familie, grossteils Dauergäste, die an diesem Wochenende nochmals von Nachzüglern verstärkt werden. Sie sind dann siebzehn, glaube ich…

Landpartie mit Maria

Das ist eine Seltenheit, ja eine Sensation: Maria verlässt die Chora. Nicht, um ihre Eltern im Dorf zu besuchen, mein, in völlig fremde Gegenden, wo sie nach ihrer Aussage seit über zwanzig Jahre nicht mehr oder noch nie war, fahren wir mit ihr. Ziel:

Mikri Vigla, eine kleine Halbinsel mit sehr schönem Badestrand, natürlich leer – zunächst. Die Taverne ist schon geschlossen, der Wirt verschenkt seine letzten Wasserflaschen an uns.

Maria hat nicht nur über 100 Cousins und Cousinen. Es gibt auch wenige, die sie gar nicht kennt. Und so trifft ein Fahrradfahrer ein am Strand, um in Ruhe ein Bad zu nehmen. Stürmische Begrüssung, ein guter Freund. Und so hat Maria ein Gegenüber zum Reden. Und das scheint auch bitter nötig, nicht so sehr für sie. Der junge Mann hat allgegenwärtige Probleme: Die Krise, das Geld, die Frau und die Kinder. Liebe verflogen um nicht zu sagen beim Teufel, Frau und Schwiegermutter machen ihm dass Leben schwer, das er gerne in der Form beenden würde. Wären da nicht die Kinder, die er dann wohl weggeschlossen bekommt. Wer kennt es nicht: Ehekrieg. Und dazu die Geldsorgen, keine Arbeit.

Wir bekommen das nur in kleinen Portionen mit und liegen zum ersten mal in diesem Jahr ausgiebig in der Sonnen, am Strand, am Wasser, am Meer. Ein diesbezüglicher Versuch an der Ostsee, irgendwann, vor vielen Wochen, zählt da nicht.

Sonnenuntergänge…

…sind natürlich auch auf Naxos ein Renner, Sonnenaufgänge nicht minder.

Und abends in die Taverne

Ich mache bei Sonnenuntergang den Vorschlag, zum Essen in eine Taverne Richtung Aliko zu fahren, »Faros« heisst die Kneipe, in der wir in den Jahren zuvor immer gerne gesessen sind. Maria kennt sie nicht. Aber die Besitzer, wie sich nach kurzer Fahrt herausstellt, sind aus der Chora und dort kennt sie wohl alle. Stürmische Begrüssung also, »Ti kanis?«, »kalá?«, hin und her.

Nachdem wir bestellt haben, vervollständigt Maria diese Bestellung und rundet sie damit ab mit Dingen, die natürlich hervorragend schmecken, aber… Naja, die Hüften halt. Damit nicht genug: Nach Besichtigung der Taverne samt Küche erfolgen höchste Anerkennung für die Taverne und mehrere Anrufe, Töchter, Freundinnen und eine telefonische Einladung an den jungen Mann vom Strand rundet alles ab.

So sitzen wir da dann schliesslich zu viert und quasseln uns durch den Abend. Die Teller leeren sich, je später um so leerer. Wein und Wasser verschwinden auch. Nachtisch? Unvermeidlich. Kaffee? Klar, immer »metrio« und »diplo«. Er ist dann zwar »gliko« aber was soll’s? Dafür bieten beide Tassen einen unerschöpflichen Reigen von Kaffeesatzspuren, Interpretationsgrundlage für unseren weiteren Lebensweg: Tore, Esel, Geld, Neuigkeiten, Begegnungen…

Und was noch?

»Arbeit macht das Leben süss« – das ist nicht vergessen und deshalb entsteht mit unserer Hilfe endlich eine schöne neue Webseite und eine Vormittagssitzung am Computer bringt endlich die griechische Übersetzung von Marias Webseite voran, auch so ein Zehnjahresprojekt, der Stoff für einen oder zweit Tage, wenn wir wieder auf La Palma sind.

Hatte ich schon vom Eis hier geschwärmt?

Nicht? Ok., dann jetzt. Ich mache jetzt keine Werbung, aber es gibt an mindestens drei Stellen in der Chora hervorragende Eiscreme. Zum Reinlegen gut. Da sind wir auch zuweilen, d.h. wohl eher zu oft…

Also, am Montag geht’s los,…

…9.30 Uhr. Fähre nach Piräus. Weiter nach Etoliko. Alles unwägbar, was dann passiert. Aber wir berichten.

Links:

Tacanda nach dem Feuersturm

Tacanda nach dem Feuersturm

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