Dienstag, 16.10.2012, 18:33:18 :: Hotel Porto Eda
Freitag, 19.10.2012, 15:01:54 :: Denovici
Igoumenitsa unter Wasser
Kurz vor Igoumenitsa fuhren wir in ein höllisches Wolkengebilde, schwarz, tief hängend zwischen den mächtigen Bergen entlang der ionischen Küste, irgendwann blitzend und donnernd und dann goss es in Strömen. Aber gemach, es gab auch Positives heute, so ist es auch wieder nicht.
Gestern Abend zum Beispiel, bei unseren Freunden: Ein herzlicher Empfang, alle strahlen. Krise? Man bleibt zunächst beim Alltäglichen. Die Mutter wird älter, Probleme mit Krankenhaus und Medikamenten: Alle paar Tage wieder zum Arzt, anstehen, warten, Rezept für ein paar Tage, trotz erkennbarer Dauermedikation. Und wer zahlt? Wohl man selbst, jedenfalls immer grössere Anteile. Sie sind froh über den Misstand, wie er eben ist – sie wissen um Mitbürger in Athen, die bekommen gar keine Medikamente mehr. Konsequenz? Schulterzucken mit Augenaufschlag; jeder weiss, was das bedeutet. Zynismus eines Systems, das weder Faulheit noch Fleiss erzeugt hat sondern Korruption. Die freilich, die liess man sehenden Auges wachsen. Ich spüre Hilflosigkeit. Wie reagieren Menschen in Deutschland auf Arbeitslosigkeit, Aussichtslosigkeit, Ausgeliefertsein? Auch nicht anders. Eben. Der Unterschied: Noch denkt man, man blickt herab. Aber wohl wissend, dass man allzu schnell dort landen kann.
Alles ist relativ
Dass das Hotelzimmer in Etoliko immer noch 50 € kostet, das kann man nun so oder so sehen. Der Preis ist stabil aber entschieden zu hoch. Viel zu hoch dafür, wie man dort untergebracht ist.
Frühstück? Ach was, nicht mal einen Zwieback hat der Wirt, ansonsten liebenswürdig, auf Lager. Den gab’s letztes Jahr aber noch. Jetzt scheint die Krise auch den zum Verschwinden gebracht zu haben. Wir trinken also zunächst mal unseren Elleniko metrio und schauen die Strasse rauf und runter…
…ehe wir uns aufmachen, um Brot und was drauf einzukaufen. Die 50 € steckt der Wirt wohl so weg. Kasse? Rechnung? Das sind Dinge, die funktionieren in Restaurants, in Cafés.
Dort wird mittlerweile tatsächlich fleissig gebont. Der Kassenstreifen kommt (fast) immer mit dem Bestellen und wird unter den Aschenbecher geklemmt. Aber in Hotels? Keine Ahnung, ob das je was wird. Das Café, wo wir dann sitzen werden um richtig zu frühstücken, das kennen wir als »alte Etolikolaner«. Also den Bäcker gesucht. Ich finde ihn per Nase.
Und ein Gemischtwarenhändler…
…ist danach auch schnell gefunden. Etoliko ist eine wahre Fundgrube. Besonders Kafenions liegen strassenzugweise lückenlos nebeneinander.
Die Besitzerin des Ladens spricht gutes Englisch. Nachdem sie gemerkt hat, dass wir das auch können, ist sie nicht mehr zu bremsen. Wir probieren Wurst- und Käsesorten, ehe sie uns die in mundgerechte Stücke schneidet und einpackt. Währenddessen schau ich mich um: Hülsenfrüchte gibt’s offen aus dem Sack,…
…der Elleniko wird wohl stets frisch gemahlen…
…und die bunten Plastikflaschen mit den reinigenden Wohltaten der Chemieindustrie und die Konservendosen stehen in Reih‘ und Glied wie Preziosen.
Das Frühstück kann gleich beginnen
Nach ein paar Schritten sind wir im Café, das Mädel lächelt, erkennt uns wohl wieder, bringt uns die Sitzkissen raus, dazu ein Messer auf Teller samt Serviette und die beiden Cappuccini oder -os, ich weiss nicht. Denn das Café heisst so, weil es nur was zu Trinken gibt. Kein Problem also, unsere gerade erstandenen Vorräte auszupacken und zu verzehren. Den Zugangscode zum WiFi bekommen wir auch und so können wir uns mampfend über die Politik ärgern, Neues erfahren und ab und an einen Blick in die Runde werfen.
Immer mal wieder etwas Regen. Dimitri ist zufrieden mit dem, was da bisher runter kam die letzten drei Tage. Sagte er gern Abend. Seine Oliven werden nun was, da ist er sich sicher. Die Preise allerdings, die sind im Keller. Ganz tief unten. 20 Cent das Kilo, da kann man nur den Kopf schütteln.
Eine Horde Schüler kommt aufgeregt schnattern die Gasse entlang. Sie verkaufen Kalender für 2013, Erlös für irgendwelche Schulprojekte. Jetzt können wir also in die Zukunft sehen, nach dem wir einen abgenommen und durchgeblättert haben – für 5 €. Was die Gruppe johlend feiert. Es ist wohl der erste heute…
Die Hunde von Etoliko
Es gibt in einer literarischen Reihe über Plovdiv in Bulgarien, Die Hunde von Plovdiv. Die bellen die ganze Nacht, so dass der Autor nicht schlafen kann. Die Hunde von Etoliko scheinen hingegen eher der Lethargie verfallen.
A
uf dem Platz vor der Hauptkirche (keine Ahnung, wie viele es insgesamt sind, Kirchen, nicht Hunde!) haben die Hunde offenbar unbeschränktes Lebensrecht. Sie schlafen dort an beliebiger Stelle, niemand schert sich drum. Irgendwann stehen sie auf, strecken sich, drehen sich mehrfach im Kreis und legen sich gelangweilt wieder hin. Selbe Stelle oder ein paar Schritte weiter.
Ggesättigt und medikamentiert ziehen wir los; viel zu spät eigentlich für die Strecke, die wir uns vorgenommen haben. Ein letzter Blick in die Winkel des Städtchens und ab geht’s, Albanien winkt heftig.
Altbekannte Strecke…
…und doch immer wieder neu. Oft denke ich, ich fahre hier zum ersten Mal, was natürlich nicht stimmt. Aber es zeigt, wie wenig doch im Kopf bleibt an Details. Was immer bleibt, ist das Gefühl für die Landschaft, für die Veränderungen im Laufe der Stunden. Da kommen dann die Gedanken wieder: Nordkap – Naxos, was für eine Bandbreite an Eindrücken. Jetzt hier auf diesem kleine Stück (es werden knapp 300 km sein am Abend) mischt sich Griechisches mit Römisch-Italienischem, Türkisch-Albanischem. Tief ist die Durchdringung und Durchmischung. Noch am nächsten Tag finden wir in Himara Griechen, die hier ein Café am Strand betreiben. Was haben sich die Griechen gedacht, als sie sich nach der Öffnung Albaniens 1991 darüber beschwerten, dass Albaner nach Griechenland migrierten und Arbeit suchten? Sie hatten den Exodus als »Gastarbeiter« doch schon hinter sich?
Wir fahren wieder vorbei an riesigen Kiwi-Plantagen, finden aber in den Hotels solche aus Neuseeland… Wir sammeln Samen der Cynardistel. Mal sehen, ob wir sie auf La Palma züchten können. Letztes Jahr hat sie uns gut geschmeckt.
Die Wegkapellchen nehmen an Zahl zu hier, häufig ein Zeichen dafür, dass rasende Jungs hier ihr Leben beendeten.
Da nehmen sich Griechen und Albaner übrigens nichts: Die albanischen Pendants sind nur reichlicher mir Plastikblumen geschmückt und sind eher häufiger. Dass nur die schlechteren Strassen Schuld sind, glaube ich eher nicht. Mit dem Übertritt nach Albanien wird das Fahrverhalten rauer. Ich meine, das war nicht immer so.
In den vielen Dörfern sitzen sie im Kafenion, wohl immer noch eine Domäne der Männer, wie man uns wieder versichert hat in Etoliko…
Und die Spatzen baden in den Regenresten.
Ja, Regen…
…der kündigt sich immer wieder mit Wolken über den Ionischen Inseln an. Wir halten ihn aber eher für unmöglich, bis auf immer mal wieder ein paar Spritzer.
Vonitsa
Eine gute alte Bekannte an der Bucht von Prevesa, ein Lieblingsort, seit wir auf unserer ersten Fahrt hier übernachtet haben. Dort machen wir immer wieder gerne halt. Einst verschlafen, hat der Tourismus mittlerweile die Paralia voller Cafés provoziert.
Auf dem Weg nach Prevesa bewundern wir eine weitere Jahrhundertbaustelle: Die Autobahn von Prevesa nach Süden. Die Landschaft ist umgegraben, unbefestigt und der Regen frisst schon seine Erosionsrinnen; ich vermute mal, da müssen die von Neuem beginnen, wenn irgendwann wieder daran gearbeitet wird.
In Prevesa hat man wieder die Wahl: Fähre oder Tunnel. Tunnel geht schneller, wir wollen ja noch weit.
Es sieht gut aus. Noch.
Es geht über Berge, entlang des Meeres, durch weite Flusstäler, durch Tunnel von sagenhafter Länge (130 m z.B.). Der Ausbau zur Autobahn auch hier in Vorbereitung.
Der Oleander blüht auf Kilometer, die Alpenveilchen spriessen.
Aber dann…
…verändert sich die Atmosphäre zusehends. Dicke dunkle Wolken hängen in den Bergen, senken sich in die Täler. Das kommt dicke, das sieht man. Und dann geht auch los. Blitz, Donner, Wasser aus Kübeln. Ich ahne, was das bedeutet: Sturzbäche werden in Kürze von der Seite Steine und Schlamm über die Strasse schwemmen. Wo werden wir uns wohl festfahren?
So erreichen wir Igoumenitsa und tasten uns auf die Strasse nach Mavromati vor, den Grenzübergang nach Albanien. Riesen Seen auf den Strassen, Sturzbäche, die grossen Wassertiefen und Gesteinslawinen stehen uns noch bevor. Einmal ist der Motor schon fast abgesoffen. Wir haben eben keine Riesenräder…
Die Katastrophe bleibt aus
Irgendwann erhellt sich der Himmel etwas, bekommt Strukturen, die letzten Donner verhallen hinter uns. Und da steht unser Hoffnungsschild: Mavromati!
Wir nehmen die letzten Hürden, heisst: Durchwaten die letzten braunen Wasserrfluten, durchqueren die letztzen Geröllhalden und hoffen auf ein Hotel oder Zimmer in Sagiada.
Haben aber Pech. Wo wir so gern am Hafen gesessen sind, ist heute nichts mit Rasten, alles schwimmt hier, Zimmer gibt es nicht. Also doch weiter.
Eine völlig abgerissene Ziegenherde versperrt für Minuten die Strasse, klatschnass und stoisch. Die Strasse ist hier neu und gut, das wissen wir. Soweit ist bisher alles gut gegangen.
Und dann die Grenzstation, griechische Seite.
Was uns hinterm Grenzbalken erwartet steht hier (Teil 2).
Tagesleistung, Tracks & Links:
- 2012-10-16;290;04:45;02:05;119;58.9;41.3;Etoliko-Sarande
- Track
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Ja, Sagiada; da war mein, vorerst, letztes griechisches Essen 2011.
Und diese Regengüsse: die Herren Troika-Ökonomen sollten mal versuchen, minimale geographische Grundkenntnisse über die naturräumlichen Gegebenheiten des „Schulden“-Landes zu bekommen.
Sie können froh sein, in den „Gemäßigten“ Breiten zu leben. Aber da gibt’s einen Tellerand!