* Rund Europa 2015 (1), 4. Tag: Lezha – Šibenik

Dienstag, 06.04.2015 :: Å ibenik, Hotel Jadran
Dienstag, 14.04.2015, 14:41:48 :: Hochdorf

Strecke Lezhe - Sibenik

Blick aus dem Hotelzimmer am Morgen

Als ich morgens den Vorhang zurück ziehe und den Himmel über dem grünen Hinterland betrachte, kommt etwas Freude auf: Es regnet nicht, die Bewölkung öffnet sich. Als ich jedoch wenig später aus dem ersten Stock hinunter gehe um zu bezahlen, sehe und spüre ich: Es regnet, der Blick aus dem Fenster vorhin war ein Trug, das Wetter hängt in den Bergen im Norden.

Lezhe Richtung Shkodra

Ein Frühstück gibt es nicht, ich bin der einzige Gast, das Abendessen gestern Abend war vom Preis und vom Geschmack fast ein albanisches Gastgeschenk. Und das zusätzliche Cola von gestern Abend will der Chef jetzt nicht bezahlt haben. Ach was! Und so sitze ich im Auto, und los geht’s. Der Scheibenwischer wischt, aber ich weiss: In zehn Minuten spätestens… Genau. Nach kurzer Wegstrecke fahre ich wieder mit Schlieren vor den Augen. Wenn ich nicht wüsste, wo und wie – ich hätte sofort wieder kehrt gemacht.

So aber fahre ich an all den Stellen vorbei, wo man gemütlich einen Kaffee trinken, die Buna vorbeifliessen lassen, zur Festung hinauf blicken und spielenden Kinder mit den Augen folgen kann… Normalerweise. All das geht mir durch den Kopf wie ich mich so über die Buna, den Abfluss des Skutarisees bewege. Ich weiss, dass es dann nach links geht, vorne links dann eine weitere ehemalige Festung auftaucht, heute wohl Hotel oder so was, dann rechts drum rum… Ich weiss das, erahne den Weg zwischen den Wasserbahnen hindurch und fahre eben.

Ich habe das seinerzeit 2012 in den schwedisch/finnischen Beiträgen wohl schon mal beschrieben: Beim Langsamfahren sieht man wenig, muss ständig den Blick, ja besser den Kopf bewegen, um zwischen den Tropfen und Tränen neue Darstellungen von der Welt da vorn zu erahnen. Erst so ab 80 km/h beginnt der Fahrtwind, die Wasserschicht zur Seite zu treiben um so einen klareren Blick zu schaffen. Aber 80 km/h auf Albaniens oder Montenegro Strassen?

Bis zur Grenze hinüber nach Montenegro geht das so. Alles geht wie gewohnt glatt beim Zoll, kein Öffnen des Kofferraums mehr, kein Desinfizieren. Albanien ist integriert, Montenegro ebenso – keine »Eintrittsgelder« mehr, keine Vignette. Als ich am montenegrinischen Schalter durch bin sehe ich durch die Seitenscheibe – mehr aus dem Augenwinkel – zwei nasse Gestalten mit grossen Rucksäcken an der Strasse und noch unter dem Dach der Zollstation stehen. Ich schlage einen Haken und fahre rechts ran, entriegle die Tür. Zwei Mädchengesichter erscheinen in der offenen Beifahrertüre, fragende Augen. Ich frage auch. Nach Norden eben, so weit wie möglich. Nach näherem Nachfragen: Ljubljana ist das Ziel. Es ist ein Witz und riskant zugleich: Zwei Fahrgäste für einen Grossteil der restlichen Strecke, Regen, Eile, aber kein Scheibenwischer? Ich erwähne das kurz, das ganze geht auf Englisch.

Letztlich steigen sie ein, wir verstauen die beiden Rucksäcke irgendwie, eine klemmt sich hinten rein, die andere neben mich. Wir fahren los – und der Regen hört auf. Schon nach wenigen Kilometern bekommen die Wolken Formen und lassen Blau durch. So »brettere« ich gen Norden, vorbei an Ulcinj, Bar, Budva.

Kurz vor Tivat

In Tivat beziehungsweise Lepetane am Eingang zur Bucht von Kotor ist dann erster Halt: Aber da kommt die Fähre auch schon, schnell raus, Ticket lösen und drauf auf die Fähre. Und wieder was gelernt: Die Zahl der Passagiere zählt nicht, nur das Auto.

Fähre Lepetane

Nur nebenher registriere ich: Das kenne ich alles, heute betrachte ich alles aber nur etwas gehetzt so en passant…

Während der Fahrt wird viel erzählt, alles auf Englisch, klar. Das heisst, ich erzähle und meine Nebensitzerin unterhält mich auf weiten Strecken. Sie beide studieren in Ljubljana, ein Erasmus-Jahr. Ich berichte von Erasmus-Gästen auf La Palma in den Jahren 2007-2012. Sie seien Couchsurfer, ob ich Couchsurfing kennen würde? Ich verweise auf meine beiden Scheibenaufkleber an der Heckscheibe… Grosses Hallo! – Junge Leute sind einfach impulsiver und noch begeistert, selbst bei solchen Kleinigkeiten.

Meine Nebensitzerin Danisa selbst kommt aus Tschechien, nahe der Grenze zu Österreich. Telč kennt sie gut (da waren wir ja letztes Jahr). Wir unterhalten uns über Tschechien, Brünn; ich höre zum ersten mal die tschechische Form »Brno« und verstehe erst im dritten Anlauf. Sie studiert Chemie, was natürlich gleich ein neues Thema eröffnet.

Während dessen schläft Maria, die andere junge Dame, irgendwie zusammengefaltet auf dem Rücksitz. Sie ist erkältet, krank, übernächtigt und durchnässt. Eigentlich gehört sie unter eine heisse Dusche und dann in ein anständiges Bett. Sie kommt aus Polen, Warschau, um genau zu sein. Ihr Studium dreht sich um Städtebau.

Irgendwann trinken wir dann doch einen Cappuccino beziehungsweise einen heissen Tee. Das scheint gerade noch drin zu sein im Budget… Die nächste Runde zahle ich dann, es sind ja wirklich nur geringe Beträge, eigentlich wollen sie das nicht. Aber was Heisses braucht Maria dringend.

Kaffee & Tee mit Maria und Danisa

Weiter geht’s nach Herceg Novi, Neum, diesem skurrilen kurzen Stück Meer von Bosnien-Herzegowina, Dubrovnik. In Opuzen, diesem Riesendelta der Neretva, kaufen wir Orangen und Mandarinen; sie halten bis Deutschland.

Nahe der Stadt befinden sich die Ruinen der antiken Stadt Narona, deren damalige Bedeutung von der Lage am Fluss und in Meeresnähe abhing. Auf den letzten 25 km ab Metković ist der Fluss seit der Regulierung im Jahre 1895 für kleine Schiffe befahrbar. Das Delta der Neretva spielt eine große Rolle für die Landwirtschaft im südlichen Teil des Landes, da es zu den wenigen bewässerten und sehr fruchtbaren Ebenen der Region gehört. Seit 1881 und in größerem Maß nach 1945 wurden große Teile der Sumpflandschaft trockengelegt und so für die Landwirtschaft nutzbar gemacht. Im Zuge der Arbeiten blieben von den ehemals 12 Flussarmen nur noch drei übrig.

Bei Ploče in Kroatien mündet der Fluss ins Adriatische Meer.

Wikipedia

Wir passieren Split, Trogir – alles streifen wir in grosser Eile und landen schliesslich tatsächlich in Šibenik am Hafen und lassen uns in die Sessel des erstbesten Cafés fallen: Cappuccino! Geschafft!

Café in Šibenik

Dann geht für die zwei die Suche nach einer Unterkunft los. Das Hostel verschmähen sie des Preises wegen. Sie schultern ihre Rucksäcke und verziehen sich anderweitig. Treffpunkt morgen früh um 8 Uhr vor dem Hotel, das ich ausgeguckt habe: fast direkt neben dem Café mit bewachtem Parkplatz.

Das Hotel Jadran ist eine teure Bruchbude, aber ROTARY-Stützpunkt, wie sich herausstellt, was mich aber weder ehrfürchtig werden lässt noch schockt. Der Laden ist mit 58€ deutlich zu teuer, das Personal spröde, (wohl typisch) kroatisch-dünnlippig, um nicht zu sagen regelrecht unfreundlich. Das ärgert mich. Aber es bestätigt die Erfahrungen der Vorjahre: Kroatien hat preislich den Norden Europas erreicht, bei weitem aber nicht dessen Standards; auch nicht die Freundlichkeit von Bosniaken, Montenegrinern oder gar Albanern; weiter nach Süden wollen wir jetzt mal nicht gehen mit den Vergleichen. Da hapert es nach wie vor. Kroaten und Serben sind und bleiben wohl die Völker, in deren Mitte wir uns über Jahre nie wohl gefühlt haben. Schade, aber wohl nicht zu ändern. Und ich würde mein Urteil gerne widerlegt sehen!

Morgen früh um Acht geht’s weiter.

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