Freitag, 01.07.2016, 10:42:04 :: Tukums, Schloss Jaunmoku pils
Dienstag, 12.07.2016, 10:41:50 :: Raudondvaris
Freitag, 12.08.2016, 23:49:24 :: Raudondvaris
Regen und/oder Kringel
Am Morgen regnet es wieder. Es fällt schwer, an einen Stadtbummel in Pärnu zu denken, aber irgendwie – Pärnu ohne Kringel, das geht gar nicht.
Eingefleischte »Mitfahrer« wissen das seit Jahren. Auch wenn es eine Ausnahme gegeben hat – diesmal wollen wir wieder welche. Und so fahren wir los, hinein in diese Stadt voller Gegensätze: Strassenzüge, in denen die alten Holzhäuser gestorben sind…
…und kurz darauf, nur eine oder zwei Strassen weiter Touristenmeile vom Feinsten.
Worum geht es bei den Kringeln?
In Pärnu gibt es eine Bäckerei (ja, eine Bäckerei! Eine Seltenheit in den baltischen Ländern), die u.a. jeden Morgen schmalzgebackene Kringel in grosser Zahl fabriziert. Das ist auch notwendig, denn zum Einen kommen viele Einheimische jeden Morgen, um welche für zuhause zu kaufen und ausserdem stehen Vor der Bäckerei Café-Tische. Da sitzen Einheimische und Menschen wie wir – also Touristen – und verzehren sich beim Verzehren der Kringel.
Es ist ein Phänomen, selbst bei Regenwetter wie heute Morgen.
Auch die Spatzen wissen die ihnen zugeworfenen oder selbst hingehaltenen Gaben zu schätzen.Nach diesem Frühstück (natürlich! Mit Cappuccino) wagen wir einen kurzen Gang durch die Fussgängerzone. Es ist noch zu früh für regen Publikumsverkehr und wir wollen ja weiter.
Immer noch fährt man auf völlig desolaten Strassen an völlig desolaten Häusern vorbei. Ändert sich denn nichts, in all den Jahren? Die Parademeile der Fussgängerzone trügt: Es ist Krise, auch in Estland. Und auch, wenn in unseren Zeitungen jubelnd das Gegenteil zu lesen steht.
Via Baltica
Wir haben uns nun doch entschieden, die Uferstrasse nach Süden zu fahren, die Europastrasse 67, wichtigster Verkehrsweg zwischen Polen und Helsinki. Da es immer wieder regnet hätten wir auf grösseren Umwegen durchs Landesinnere wohl wenig Freude. Aber keine Angst, so voll wie deutsche Autobahnen ist sie nicht, man fährt doch gelassen und ohne grössere Aufreger. Es geht durch viel Wald, an wenigen stellen so dicht am Ufer, dass man die Ostsee sehen kann.
Hin und wieder ein Ortschaft, aber die kommen auf dieser Strecke eher spärlich. Irgendwann erinnern wir uns daran, dass wir mal wieder tanken könnten. Damit haben wir ja irgendwie Glück: Einer denkt immer, auch in kritischen Augenblicken, daran. In tankstellenleeren Gegenden Finnlands ist das zum Beispiel fast so was wie lebensrettend.
Jetzt hier: Man könnte liegen bleiben, da wäre nur Zeit kaputt und ein überschaubar langer Fussmarsch angesagt. So kommen wir aber auch zu einer Pause.
Lettland
Die Grenzanlagen zwischen Estland und Lettland stehen als Ruinen da als warteten sie weniger auf den endgültigen Abriss als auf den Wiederaufbau.
Etwas weiter südlich in Salacgrīva grüsst endlich mal wieder eine schöne Kirche aus dem hohen Grün.
(Etwas Sonne hätte mir hier sehr geholfen…)
Da der Ort 1721 russisch wurde, ist sie orthodox und ein Prachtbeispiel der Backsteinbaukunst, obwohl erst 1873 in dieser Form erbaut. Priester scheinen knapp zu sein, denn ein Anschlag verweist wohl auf Gottesdienste im weiter nördlich liegenden Ainaži.
Natürlich Münchhausen
Dunte is das Gut, auf dem Münchhausen gelebt hat. Wir besuchen das Anwesen jedes mal, seit wir es zufällig gefunden haben. Es hat sich im Laufe der Jahre zur Freizeitattraktion für Kinder entwickelt, aber irgendwie schaffen die Verantwortlichen eher eine abweisende Atmosphäre; diesmal wollen sie sogar Parkgebühren dafür, falls man aussteigen und im Restaurant etwas zu sich nehmen möchte. Höchst merkwürdig, wie die letzen zwei mal fahren wir eben weiter. Enttäuschend.
Wir passieren den Moloch Riga
Ja. Und dann eben Riga. Eigentlich wäre hier Ende. Aber unsere Freundin in Riga hat ihrer Heimatstadt für nicht absehbare Zeit den Rücken gekehrt. Keine Arbeit, kein Auskommen. Da sie jahrelang im Tourismus tätig war, ist sie nun in Portugal. Was lag näher? Dort sind die Wege zwar auch nicht gerade mit Geld gepflastert, aber immer noch besser als ohne Arbeit in Lettland. Das ist eben das grosse Problem: Die Menschen fliehen, auch innerhalb der EU…
Es ist Freitag Nachmittag, höllischer Verkehr, aber wenigstens einen Blick auf mögliche Veränderungen werfen möchten wir schon – also durch…!
…und über die Düna.
Jūrmala – es wird wieder ländlich
Erst, als wir am Rand des »Strandparadies« Jūrmala vorbei sind, wird es wieder ruhiger. Als Badeort ist Jūrmala schön, es gibt herrliche Holzvillen, direkt am Strand. Wir haben vor vielen Jahren dort zwei mal genächtigt, aber warm geworden sind wir mit dem Ort nie, es ist touristisch und irgendwie dann doch fad.
Tukums
Das Städtchen Tukums erregte schon während der Planung meine Aufmerksamkeit. Es ist Ausgangspunkt unserer morgigen Fahrt durch die Kurländische Schweiz, natürlich nicht durch Buchung vorgegeben sondern voller überraschender und unerwarteter neuer Eindrücke.
Wie fast alle Siedlungen im Baltikum taucht auch Tukums im 13. Jahrhundert aus dem historischen Nebel, als die Kreuzritter dort auftauchten. Wikipedia hat nicht viel zu berichten: Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, Strassenbeleuchtung 1875. Teil des Kurlandkessels im 2. Weltkrieg… Man ist versucht zu erlahmen, auch hinschlich der ewigen Konfrontation mit der Unermüdlichkeit deutschen Wirkens. Wir stellen uns aber immer wieder die Frage, was »wir« wohl hier und dort wieder angerichtet haben – vom Nordkap bei Spåkenes bis nach Griechenland. Weiter südlich waren wir noch nicht, zum Beispiel in Namibia. Aber ich schweife ab, wenn auch berechtigt. Wir sind jetzt in Lettland, auf dem Weg nach Tukums, wollen die Stadt besichtigen. Und eine Bleibe für die Nacht finden.
Wir durchholpern das Städtchen, fahren drum herum: Ich weiss nicht, was ich erwartet habe… – aber einen Schlafplatz finden wir nicht. Dafür aber dieses monumentale Denkmal.
Ein Schloss?
Wie wäre es denn mit einer Nacht im Schloss? Mit dieser Frage versuchen wir, den entstehenden Frust zu vertreiben. Und weil Lis irgendwo den Hinweis her hat, es gäbe etwas ausserhalb diverse Herrenhäuser und ein Schloss, entscheiden wir uns spasseshalber für Letzteres – angeschaut hätten wir es ja sowieso.
Eine Hochzeitsgesellschaft tummelt sich im Schlossgarten, gedämpfte Musik. der gerade einsetzen Regen vertreibt sie zwar, nicht aber uns. Neugierig, wie wir sind, fragen wir in der Rezeption nach dem Preis – und mieten uns ein.
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