* Rund Europa 2016 (3), 22. Tag: Todireşti – Purcari

Montag, 12.09.2016, 22:26:06 :: Purcari, Château Purcari
Montag, 23.01.2017, 18:02:54 :: Galanado
Mittwoch, 25.01.2017, 13:02:21 :: Galanado

Lis ist mal wieder früh auf den Beinen und erwischt den Sonnenaufgang über Transnistrien.

Das mit Frühstück war klug gedacht gestern Abend. Doch unsere Abfahrt heute Morgen findet ohne Frühstück statt: Wir sind die einzigen Gäste, es ist niemand da, der uns was zubereiten könnte. Also fahren wir mit leerem Magen.

Der zweite Klops…

…folgt auf dem Fusse. Unsere Fahrt nach Bender, das wir uns unbedingt ansehe möchten, wird unterwegs von Uniformierten gestoppt. Wir haben mittlerweile wieder vergessen, dass Bender seit 1992 faktisch zu Tiraspol, also zu Transnistrien, gehört, obwohl es diesseits des Dnister liegt. Also fahren wir zurück, was natürlich in zweierlei Hinsicht ärgerlich ist: Bender haben wir wieder nicht gesehen weil trotz Vorerfahrung schlecht recherchiert beziehungsweise weil wir einfach vergessen hatten, was wir ja schon wussten. Kilometermässig ist es jedoch nicht schlimm, die Strecke bis Purcari ist ja insgesamt nicht sonderlich weit. Aber Bender eben; den Bildern nach zu urteilen ein bisschen Minsk und ein bisschen Soroca, tröste ich mich – aber es wäre schon ein wenig mehr gewesen, ehrlicherweise, wenn man die Bilder hinterher betrachtet.

Links:

  • Transnistria :: In einer Zeit der politischen Zerrissenheit fotografiert Emile Ducke Transnistrien, ein Land, das in seiner Struktur stehen geblieben zu sein scheint. Einblicke in eine multiethnische Region zwischen den Grenzen.
  • SPON – Unbekanntes Transnistrien:
    Einfach mal hingefahren

Und der dritte Klops…

…an diesem einen Tag kommt erst zuhause bei der Nachbereitung zum Vorschein: Alles in allem sind wir mittlerweile vier mal an einer Sehenswürdigkeit vorbei gefahren, die eine interessante europäische Geschichte aufweist, an der Strasse nach Bender liegt und wo eine Woche nach unserem letzten Vorbeifahren ein Riesenfest gefeiert wurde. Es ist Moldawiens grösste Weinkellerei. Es ist Schloss Mimi. Wenn man allemal wissen würde, wonach man suchen muss, würde man es finden; jedenfalls auf rumänischen, englischen und französischen Webseiten. Sucht man nämlich nach Constantin Mimi, dann wird man erschlagen, vor allem mit Bildern.

Also: Herr Mimi, 1868 in Kischinau geboren, albanischer Abstammung, studierte in Odessa und Montpellier in Südfrankreich. Von dort stammt wohl auch seine Idee mit dem Weinbau…

This gorgeous French Chateau-style winery has been undergoing ambitious renovation for years. Founded in 1893 by the last governor of Bessarabia, Constantin Mimi, it is becoming the biggest and most impressive winery in Moldova.

diese Webseite

in den russischen Revolutionswirren war er 1912-1917 der letzte Gouverneur Bessarabiens, bis die Bolschewiken ihn vertrieben und er in Bukarest Chef der rumänischen Staatsbank wurde.

Der Bau des Herrenhaus wurde im Jahr 1900 abgeschlossen. Der französische Stil ist eben darin begründet, dass Mimi die Winzerei in Montpellier studiert hatte. Es wird angenommen, dass die Villa das erste „Schloss“ in Bessarabien war. Errichtet wurde es als zweigeschossiger Stahlbetonbau (ein Novum damals) und das Schloss war das modernste Gebäude schlechthin, nicht nur im Kreis Bender sondern in der gesamten Provinz. Der Schlosskeller hat eine Kapazität von 300.000 Litern in Fässern gelagerten Weins.

Im Jahr 2011 begann die Sanierung der Gebäude, die eine touristische Attraktion werden sollten. Mit der Rekonstruktion, hat die Villa den Namen „Schloss Mimi“ zu Ehren ihres Gründers erhalten.

Nach dem Ende der Renovierungsarbeiten werden ein Museum, eine Kunstgalerie für junge Künstler, ein Konferenzraum, ein Hotel, ein Restaurant, mehrere Workshops für Volkskunst und Kochen, sowie Konferenzräume in Betreib genommen. Das Schloss wird vier große Säle für 100 bis 120 Personen zur Verfügung stellen, zwei Probierstuben und sechs Säle im Untergeschoss.

Das Ende der Renovierungsarbeiten ist für Herbst 2016 geplant.

meine kompilierte Übersetzung aus verschiedenen Quellen.
Bilder von Schloss Mimi:

  • acasatv
  • diez.md
  • Googlesuche
  • Ja, und eine Woche nach unserer Vorbeifahrt war es soweit, alles bei YouTube zu bestaunen, zum Beispiel hier:

    Was war wann & wo: Fürstentum Moldau in den Jahren 1812–1878

    Ein wenig Überblick kann nicht schaden. So sah die politische Landschaft zur Zeit der Geburt des Herrn Mimi aus: Das heutige Moldawien gehörte ganz zu Russland, das Fürstentum Moldawien liegt wie in einer Zwangsjacke zwischen den Hauptmächten.

    Das Fürstentum Moldau in den Grenzen der Jahre 1776–1812 und 1856–1878 :: CC BY-SA 3.0, Link ::

    Was ich besonders bemerkenswert finde, ist der Lebenslauf von Constantin Mimi: Von der Herkunft Albaner, geboren 1868 und aufgewachsen in Kischinau (osmanisches Bessarabien, seit 1812 russ. Zarenreich), studiert in der Ukraine und in Frankreich, letzter zaristischer Gouverneur Bessarabiens und zuletzt rumänischer Staatsbankchef – keine schlechte europäische Karriere…

    Schwacher Trost

    Gewissermassen als schwachen Trost finden wir endlich einen Krämerladen mit zwei, drei Tischchen draussen vor – Pause zum verspäteten Frühstück: Es gibt Käsetaschen, Joghurt und Pulverkaffee, was alles nach nichts schmeckt, was Freude macht.

    Walnussalleen

    Wahnsinn, diese kilometerlangen Walnussalleen! Ich hatte im Betrag des Vortags schon darauf hingewiesen. Zuweilen stehen sie sogar zweireihig links und rechts der Straße mit eigenem weiteren Weg für die Pferdewagen, die früher keine Gummibereifung hatten und damit die Strasse demoliert haben oder hätten.

    Außerdem zuweilen Pappeln und immer wieder Weiden; wie die überleben, ohne erkennbaren Bach o. Ä. weiss ich nicht.

    Angepflanzt sehen wir ausserdem viel Obst, auch Granatäpfel, ganze Felder und wie fast immer und überall viel Sonnenblumen und Mais. Und Riesenfelder voller Beerensträucher. Was Lis freut: viel Himbeeren.

    Was auch auffällt: Überall im Osten arbeiten die Frauen in diesem Job; ob in Litauen bei der Schneebeseitigung, sei’s hier bei der Strassenreinigung. Und die Werbesprüche sind auch überall dieselben.

    »Gemeinsam sind wir stärker«

    Und natürlich unvermeidlich: Die Kirchen im Nirgendwo. Hier finden wir den völlig verwilderten Friedhof direkt daneben, ausgestattet mit Tischen und Bänken an den Gräbern, um mit den Toten gemeinsam zu vespern.

    Am Rande zum Budschak, der sich jetzt nach Süden bis ans Schwarze Meer auszudehnen beginnt, wird es nun immer steppiger.

    Purcari

    Das Weingut Purcari ist unser Ziel für heute. Wo ich jetzt schreibe, nachdem ich weiss, was wir mit Schloss Mimi versäumt haben, kommt es mir fast etwas klein vor.

    Aber wir merken schnell, dass ausser hin und wieder einer kleinen Gruppe zur Weinprobe mit simultanem Lichtbildervortrag niemand hier ist; wir sitzen zum Essen alleine in der Riesenhalle, bedient von zwei etwas gelangweilten jungen Leuten und eben zuweilen einer vier oder fünfköpfigen Gruppe am Nebentisch, die einen Wein nach dem anderen probieren, zuweilen ins Brot beissen und sich die Geschichte der Keller und Fässer erzählen lassen. Wir können es dann alsbald auswendig. Und es kommt uns dann doch alles gross genug vor. Erst recht natürlich, wenn man die Webseite aufschlägt:

    In 1827, Emperor of Russia Nicholas I issued a special decree granting Purcari the status of the first specialized winery in Bessarabia. It was named in honor of one of the founders originating from Germany – Harmizone. Since then, the owners of Purcari have become Moldovan boyars (barons) Dancila and Clot, but also other Germans, Russians and French.

    Und dann lehnt man sich auch als Deutscher zufrieden zurück und geniesst diese wirklich vorzüglichen Weine…

    Purcari war ja vor sechs Jahren eine rein zufällige Entdeckung, ungeplant aber die Rettung, nachdem wir ebenfalls in Kischinau geflohen waren, aber dann nicht wussten, wo schlafen. In Căuşeni, wo ich beim Geldabheben meine VISA-Karte im Automaten stecken liess, weil enormer Durst uns alles vergessen liess – aber das ist eigentlich eine ganz andere Geschichte vom 25.8.2010 –, dort also stand ein grosses Schild an der Strasse: Weingut und Hotel Purcari, 45 km.

    Căuşeni, 25.8.2010, 17:45 Uhr

    Da sind wir dann hingebraust, es war schon früher Abend, und haben es dann im Dunkeln schliesslich auch gefunden, hier draussen in der Pampa. Das entscheidende Schild hatten wir in der Dämmerung nicht gesehen. Nun gut, wir wollten auf alle Fälle wieder hier her und diesmal klappt natürlich alles nach Plan.

    Das Gut ist eine moderne Burganlage, großräumig, innen wie aussen und für alles, was geboten wird, ein Schnäppchen. Wir bleiben für einen Tag hier, Zeit, davon mehr zu erzählen.

    Dieser Beitrag wurde unter MD, Moldawien, RundEuropa2016, Transnistrien abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

    Schreibe einen Kommentar