Mittwoch, 14.09.2016, 22:13:05 :: Wylkowe, Hotel Delta
Dienstag, 31.01.2017, 00:16:48 :: Galanado
Geschafft
Und zwar nervlich und kräftemässig. Nach 220 km. Ja gut, das Ziel natürlich auch. Wir sind in Wylkowe, das manche das »Venedig der Ukraïne« nennen, im Nordosten des nördlichsten und dicksten Mündungsarms der Donau, dem Kilija-Arm. Wylkowe ist »der letzte besiedelte Punkt vor der Mündung der Donau ins Schwarze Meer« (Wikipedia).
Aber ich greife mal wieder vor. Wie schon gesagt: Nach 220 km. Die sollten ja zunächst einmal überwunden werden.
Der Drang am Morgen in Purcari, nach einem gemütlichen Frühstück nun alles ins Auto zu tragen und weiter zu fahren, ist nicht allzu stark; man kann hier (August 2010) nachlesen um das zu verstehen – oder im Beitrag vom Vortag. Da muss also schon die Vernunft ein gehöriges Stück Arbeit leisten, damit daraus was wird.
Wir werfen dann doch letzte Blicke in die Runde – Türen zu und los geht’s.
Unser erstes Ziel heute ist Bilhorod-Dnistrowskyj, ein Städtchen mit einer riesigen Festungsanlage an der weiten Lagune des Schwarzen Meeres, in die der Dnister in ewigem Geschlängel müdet. Wem der Name zu kompliziert ist: Die Osmanen nannten die Festung Akkerman – oder wir schlicht Weißenburg, das ist wohl am einfachsten. Und da muss ich schon wieder ausholen – ok., später, wenn wir dort sind. Denn zunächst geht es von Purcari unweit der Grenze zu Transnistrien nach Süden zum Grenzübergang, zurück in die Ukraine und endgültig in die bessarabische Steppe, den Budschak.
Vorbei geht es an Weinfeldern über staubige und schlaglochhaltige Wege – die Strasse kommt erst später Richtung Grenze; jedenfalls haben die Wege da einen gehörig höheren Asphaltanteil als jetzt gerade.
Grenzkontrolle
Der Zoll liegt irgendwo in den Feldern, der Grenzübergang geht glatt, verbunden freilich mit den üblichen Fragen nach Zigaretten usw., mancher Spassvogel fragt auch schon mal nach Schusswaffen. Hier will jemand mal wieder die Chassisnummer vom Auto sehen, aber das kennen wir langsam auch: Sie bedeuten mir, ich solle die Motorhaube öffnen. Die Nummer steht aber auf dem Holmen des Beifahrersitzes, unter einem hochklappbaren Teil der Auslegeware. Ohne Sprachkenntnisse, so mit Händen und Füssen ist es schwierig, den Beamten auf die Knie zu zwingen. Aber es klappt letzen Endes immer. So auch heute wieder.
Immer wieder erstaunt die Vielfalt der Brunnen, Wegkreuze und Kirchen.
Langsam wird das Land auch immer mehr zur Steppe.
Schliesslich erreichen wir Bilhorod-Dnistrowskyj und schlängeln uns zur Festung.
Und so landen wir zum dritten mal in Weissenburg, um nachzusehen, was sich wohl geändert hat in den letzen sechs Jahren. Und hier nun die Vorgeschichte: Als wir im August 2010 auf dem Weg nach Odessa hier durchkamen, kehrten wir bei der Suche nach der Stadtausfahrt genervt an einer Stelle um, wo nach unserem Verständnis die Strasse im Geröll endete, jedenfalls nicht auf der Ausfallstrasse. Am Abend, beim Studium der Route, stellte ich fest, dass wir mit dem Auto keine 120 Meter von der Festungsmauer entfernt umgekehrt waren, weil wir von der Festung eben nichts wussten.
Zwei Tage später, auf der Rückfahrt von Odessa, haben wir dann die Besichtigung dieser weiträumigen Festung nachgeholt. Aber darüber ist noch gesondert zu berichten.
Wir inspizieren den fast leeren Parkplatz und auch den Geldbeutel auf landesübliche Währung und stellen dabei fest, dass es zum gemeinsamen Eintritt gar nicht reicht, sie auch keine Euros nehmen. Damit ist klar, dass Lis nur versuchen kann, ein paar Mitbringsel zu ergattern, was auch klappt. Und den Nichtbesuch verschmerzen wir halt.
In den Steppen des Donaudeltas
Ja, und ab jetzt also eine neue Strecke, hinunter ins Delta. Von den 7:45 Stunden, die wir heute unterwegs waren, verbrachten wir ab Bilhorod-Dnistrowskyj ca. sechs Stunden auf einer Strasse, die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdient, allenfalls ein dem Sinne, dass es vermutlich mal eine war. Aber es ist die einzige, die nach Wylkowe führt. Dass ukrainische Strassen fast alle zu den schlechtesten ihrer Art in Europa gehören, das wussten wir ja. Aber das…
Aber bevor ich jetzt weiter über grauenhaft tiefe Schlaglöcher referiere, doch zunächst dass Positive: Die Landschaft ist zum grossen Teil wunderschön, teilweise erhaben, menschenleer, überaus fruchtbar.
Kanäle, Seen, Sümpfe,…
…teilweise ausgetrocknet und übel riechend, breiten sich aus, ganz wenige arme Siedlungen, oft an Stellen zu erahnen, wohin gar kein Strasse zu gehen scheint.
Was ich sagen möchte: Es ist sehr, sehr beeindruckend und ich würde die Strecke jederzeit wieder fahren. Und wie gesagt: Wer an den Donauarm will und auf der ukrainischen Seite ins Delta, der muss hier fahren.
Und nun doch zur Strasse. Ich stelle fest, dass wir wieder – wie an anderen wirklich kritischen Stellen auf unseren Reisen – gar nicht fotografiert haben, zu stark war die Konzentration auf das wie und wo es jetzt weiter gehen könnte.
Es gibt Stellen mit Schlaglöchern von 1-3 Metern Durchmesser und einer Tiefe von bis zu 30 bis 50 Zentimetern. Unvermittelt, ohne Vorwarnung. Ihr Auftritt gipfelt häufig darin, dass der verbindende Asphalt vollständig fehlt, die Strasse sich völlig in ein unpassierbares Geröllfeld auflöst. Überflüssigerweise bekommt man dann auch den Hinweis, die Geschwindigkeit zu drosseln.
Neben der Strasse haben sich die Autofahrer notgedrungen Trassen im Sand »erfahren«, aber auch die werden von den LKWs genutzt und so zuschanden gepresst, dass auch diese Kuhlen für uns unpassierbar werden. Zuweilen kann das Senfle die Ausweichspur gar nicht erreichen, weil die Schwelle bereits zu hoch ist. Was im Sommer und bei Trockenheit noch angeht ist nach einem stärkeren Regen unvorstell- und unpassierbar. Jedenfalls, das Senfle hat sich heute mal wieder wacker geschlagen und scheint heil geblieben zu sein.
So sehr also die Strasse nach Wylkowe mit ganz wenigen Ausnahmen eine einzige Grosskatastrophe ist – ich lese das dann später auch im Internet –, die Schlaglochfelder ausgedehnt und in sehr großer Zahl, Ausdehnung und Tiefe auftreten: Die Landschaft hat grossen Charme.
Wylkowe
Am Ortseingang erfahren wir nicht nur, dass es ein »Delta Hotel« gibt sondern dass auch die EU her ihre hilfreiche Hand gereicht hat; wofür, bleibt allerdings offen.
Wir sind geschafft, wie gesagt, als wir ankommen. Das Hotel finden wir schnell, es ist neu, sehr gut und billig, 20€. Das Senfle kommt »hinter Gitter«, die Hotelanlage ist Gated Area, das wird seinen Grund haben.
Beim Abendessen treffen wir den Besitzer des draussen parkenden Wagens mit bayrischem Kennzeichen. Er spricht uns an: ein pensionierter Lehrer, der vorzugsweise den Osten Europas bereist, per Auto oder per Fahrrad. Von ihm erhalten wir wirklich wichtige Informationen. Aber wir wollen nur noch ins Bett.
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