Dienstag, 23.07.2019, 23:28:35 :: Tuuru, Hotel »Altmõisa külalistemaja« (es lohnt sich, die Webseite aufzurufen!)
Bauska erkunden
Der morgendliche Blick aus dem Fester lässt hoffen. Vielleicht scheint uns heute endlich mal wieder die Sonne, der Fotograf in mir würde sich freuen.
Allzuviel gibt es ja nicht zu sehen in Bauska.
Die orthodoxe Kirche, ein richtiger Blickfang, hatten wir gestern Abend ja schon im besten Licht wenigstens von aussen besichtigen können.
Heute bleibt nur noch die Lutherische Kirche und noch einmal die Burg.
Es bleiben nur noch die Lutherische Kirche vom Heiligen Geist, das angeblich älteste Gebäude Bauskas. Sie ist verschlossen, bleiben also nur »geliehene Abbildungen«, um eine Vorstellung vom Innenraum zu erhalten.
Häufig, besonders in den nördlichen Ländern, sind die evangelisch/lutherischen Kirchen offen – es gibt nichts zu entwenden, nichts von irgendeinem Wert, wie Heinrich Heine schon bissig in seinen Reisebildern schrieb:
»Aber, Herr Hyazinth, wie gefällt Ihnen denn die protestantische Religion?«
»Die ist mir wieder zu vernünftig, Herr Doktor, und gäbe es in der protestantischen Kirche keine Orgel, so wäre sie gar keine Religion. Unter uns gesagt, diese Religion schadet nichts und ist so rein wie ein Glas Wasser, aber, sie hilft auch nichts. Ich habe sie probiert und diese Probe kostet mich vier Mark vierzehn Schilling –«
»Wieso, mein lieber Herr Hyazinth?«
»Sehen, Herr Doktor, ich habe gedacht: das ist freilich eine sehr aufgeklärte Religion, und es fehlt ihr an Schwärmerei und Wunder; indessen, ein bißchen Schwärmerei muß sie doch haben, ein ganz klein Wunderchen muß sie doch tun können, wenn sie sich für eine honette Religion ausgeben will. Aber wer soll da Wunder tun, dacht ich, als ich mal in Hamburg eine protestantische Kirche besah, die zu der ganz kahlen Sorte gehörte, wo nichts als braune Bänke und weiße Wände sind, und an der Wand nichts als ein schwarz Täfelchen hängt, worauf ein halb Dutzend weiße Zahlen stehen. Du tust dieser Religion vielleicht Unrecht, dacht ich wieder, vielleicht können diese Zahlen ebensogut ein Wunder tun wie ein Bild von der Mutter Gottes oder wie ein Knochen von ihrem Mann, dem heiligen Joseph, und um der Sache auf den Grund zu kommen, ging ich gleich nach Altona, und besetzte ebendiese Zahlen in der Altonaer Lotterie, die Ambe besetzte ich mit acht Schilling, die Terne mit sechs, die Quaterne mit vier, und die Quinterne mit zwei Schilling – Aber, ich versichere Sie auf meine Ehre, keine einzige von den protestantischen Nummern ist herausgekommen. Jetzt wußte ich was ich zu denken hatte, jetzt dacht ich, bleibt mir weg mit einer Religion die gar nichts kann, bei der nicht einmal eine Ambe herauskommt – werde ich so ein Narr sein, auf diese Religion, worauf ich schon vier Mark und vierzehn Schilling gesetzt und verloren habe, noch meine ganze Glückseligkeit zu setzen?«
Ok., diese war nun eben zu. Dafür winken uns die Mädels, die im Klassenverbund vorbeiziehen, freudig zu. Das vertreibt wenigstens ein wenig die düstere Stimmung, die das Gebäude und der umgebende Park einem aufdrängt.
Ein wenig Sonne, und es wäre auch besser.
Schloss und Burgruine
Schloss und Burgruine sind nach Wikipedia die einzigen Sehenswürdigkeiten von Bauska: Nun ja, das Museum ist fertig, die Touristenströme auch schon am Morgen ergiebig, der alte Teil, die Burg, ist immer noch in der Renovierung und nicht betretbar.
Gigantisch ist sie trotzdem, etwas Mythisches hat die ganze Anlage mit ihren Wällen und den Flüssen Mūša und Mēmele links und rechts, die sich an der auslaufenden Landspitze zur Lielupe vereinigen. Flüsse im Baltikum haben fast alle etwas mystisches, man lese Das Tal der Issa von Czesław Miłosz, dann wird klar, was ich meine.
Und in eben dieser Sitze der auslaufenden »Halbinsel« befindet sich jetzt eine Fleiluftbühne.
Wünschen wir Veranstalter und Publikum gutes Wetter …
Wir machen uns auf den Weg Richtung Estland, nach Pärnu, …
… über die Mūsa …
… und über die Mēmele.
Die Via Baltica
Die Via Baltica, die Prag mit Helsinki verbindet, ist extrem stark befahren, vor allem auch von LKWs. Da macht das Reisen gar keinen Spaß, wir fahren nur und hoffen, dass uns keine stärkeren Regenfälle hindern.
Aber die kommen, immer wieder, …
… unterbrochen durch die unterschiedlichsten neuen Eindrücke.
Die Europastraße 67 (kurz: E 67) oder auch Via Baltica ist eine Fernverkehrsstraße, die Prag, Breslau und Warschau über Lazdijai, Kaunas, Riga und Tallinn (Fähre) mit Helsinki verbindet. Sie ist damit die wichtigste Straßenverkehrsverbindung Nordosteuropas. Zum Teil ist sie autobahnähnlich ausgebaut, der vollständige Ausbau zur Autobahn ist langfristig vorgesehen. Ihre Gesamtlänge beträgt knapp 1700 Kilometer.
Mal in einer Pause ans Meer hinunter zu gehen, dort wo die Strasse zuweilen dicht das Ufer der Ostsee streift, lohnt sich nicht; immer wieder regnet es.
Die schwerste Bedrohung kommt uns nach Pärnu entgegen – aber davon später. Zuerst müssen wir über die Grenze, die kein mehr ist – zu sehen ist sie aber immer noch und erinnert an die Jahre, als wir hier noch von widerlich strengen Zöllnerinnen geärgert wurde.
Aber dann sind wir in Estland und bald auch in …
… Pärnu
Als wir Pärnu erreichen, überlegen wir, ob wir heute schon zum Kringel essen in die Altstadt fahren sollen, bevor wir in unser »Stammdomizil« weiter draussen am Strand fahren. Wir würden uns den morgendlichen Umweg ersparen. Denn Kringel essen ist ein Muss.
Aber wir fliehen ganz schnell, als wir die Innenstadt erreichen und nach einem Parkplatz suchen. Die Strassen sind völlig mit Touristen überfüllt, halb China scheint hier zu sein. Dann also doch morgen früh.
Denken wir. Aber da ereilt uns schon der nächste Schock. Unser angestammtes Hotel Doberanni ist belegt.
Wir suchen nach etwas Passendem. Nach weiträumigem Umfahren der Estnischen Streitkräfte …
… finden wir die Fischerhütte in der Nähe zwar aber sie passt uns irgendwie nicht. Also fahren wir weiter Richtung Haapsalu. Es wird also diesmal nichts mit Strandspaziergang am Abend und mit Kringel essen am nächsten Morgen. Ab Richtung Haapsalu.
Jedem Unglück wohnt eine Chance inne
Zunächst durchfahren wir eine Regenfront, wie man sie selten erlebt: Pechschwarz, das Wasser kommt wasserfallartig vom Himmel. Das Senfle beziehungsweise der Frontscheibenwischer fällt aber nicht aus! Trotzdem verziehen wir uns auf einen Waldweg und bangen dem Endes der Sintflut entgegen.
Wir suchen natürlich ständig nach Hinweisen auf eine Übernachtungsmöglichkeit. Es gibt sie nicht. Mutlos waren wir ja noch nie, aber wenn auch der Sprit knapp wird …
Als wir schon glauben, bis Haapsalu fahren zu müssen, steht da ein Schild, 7,5 km nach links, da gäbe es was. Nun wissen wir aus Erfahrung, dass solche Schilder sehr häufig in die Irre führen, keine weiteren Schilder folgen, mann also irgendwann ohne Hoffnung in der Wildnis steht oder das Etablissement mittlerweile dicht gemacht hat.
Nicht so heute Abend.
Wir folgen dem Schild bis zu einem wunderbaren Gästehaus mitten in der Pampa – was sag‘ ich: in einer wunderschönen Landschaft.
Das Haus ist absolute Spitze. Die Salat-Portionen sind typisch nordeuropäisch, also klein aber fein.
Nach dem Abendessen fahren wir an verschiede Stellen ans Meer, so dicht es eben geht. Laaaandschaft! Herrlich!
Die Abendstimmung will nicht abbrechen, noch immer Mittsommernacht …
Als ich lange nach Mitternacht schlafen gehe, ist immer noch Sonnenuntergangs-Rot. Und auch während der restlichen Nacht wird es nie vollständig dunkel – nordischer Sommer, wir sind fast am nördlichsten Punkt unserer diesjährigen Rundreise angekommen.
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