Montag, 29.07.2019, 22:08:03 :: Jekabpils, Hotel Citrus Spa
Direkt beim Aufstehen und dem ersten Blick aus dem Fenster sehen wir endlich mal eines von Googles Street View Autos, ein in Deutschland nahezu unmögliches Bild.
Der Fahrer hat also wohl auch hier übernachtet. Ja, so sehen sie aus die Geräte, die diese wunderbaren Aufnahmen machen, mit denen man sich in Google Earth und Maps so gut orientieren kann; hilft uns oft sehr – überall, aber natürlich nich in D …
Als wir dann nach dem Frühstück starten wollen, um uns zunächst in Valmiera etwas umzusehen, schaut so aus, …
… kurz zuvor aber noch so:
So bleibt es bei einer rudimentären Stadterkundung. Mehr als im Park an der Gauja ein paar Schritte zu gehen wird es nicht. Die Gauja ist wohl der längste Fluss Lettlands. Sie zu sehen, zu überqueren oder an ihr entlang zu fahren freut uns immer wieder.
Noch ein Blick auf das Kulturzentrum und die mächtige Kirche am Hochufer – dann fahren wir los nach Süden, es macht einfach keinen Spass.
Regen und Sand – am Ende Matsch
Der längst Teil der heutigen Strecke besteht aus Sandstrassen. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens sind sie direkter und damit wesentlich kürzer und zweitens lässt sich ein wichtiges Ziel, das für heute auf dem Programm steht, anders gar nicht erreichen. Ganz abgesehen davon, dass Lettland von allen drei baltischen Ländern wohl noch das längste Sandstrassennetz hat …
Aber sie sind in der Regel gut, ohne allzu viele Querrillen oder gar Schlaglöcher. Is es trocken, staubt’s gewaltig, so dass man bei einem – sehr selten – entgegen kommenden Fahrzeug gut tut, Fenster und Lüftung für eine Weile zu schliessen. Heute regnet es, zunächst verhalten, also keine Gefahr.
Aber irgendwann kann der Sand den Regen nicht mehr aufnehmen, das Senfle beginnt zu schwimmen, besonders in den Kurven.
Die Störche stehen derweil im Nest und warten ab.
Brennholz in Hülle und Fülle …
… aber auch Bauholz gibt es hier genügend; hier baut jemand ein neues Haus um das alte Herum.
Geschwindigkeitsbegrenzungen können wir mit ruhigem Gewissen ignorieren, wir sind froh, auf der Strasse zu bleiben mit 30, 40 km/h.
Aber trotz allem: Die Landschaft ist herrlich und der Regen lässt uns sogar ab und zu aussteigen und den Rundblick geniessen.
Die Häuser am Weg, die Ortschaften sind arm, teils strahlen sie noch immer den sowjetischen Charme aus; das wird sich bei der Wirtschaftslage auch hier draussen noch lange nicht ändern. Ok., teils aber doch.
Und immer neue Überraschungen
Nicht immer sind Hinweisschilder witzig – dieses ist echt hilfreich, denn es kündigt kurz vor unserem ersten Ziel wirklich etwas an.
Trotzdem entgeht uns nicht, dass es hier oben im Baltikum Gäste aus Südamerika gibt, die hier in aller Ruhe im Regen grasen.
Alpakas stammen aus den Anden. Aber sie scheinen sich auch hier wohl zu fühlen.
Geschafft: Ein Struwepunkt
Und dann sind wir nach kurzer Fahrt durch den Schlamm auch an unserem ersten heutigen Ziel, dem Struvepunkt am Sestukalns.
Über den Struvebogen habe ich ja immer wieder geschrieben, seit wir am 26.06.2012 den erste Punkt in Nordschweden ganz zufällig eingesammelt haben – freilich, ohne damals zu wissen, worum es ging. Das ergab dann erst später die Recherche.
Da stand eben einfach dieser Pfahl und wir davor …
Dieser Punkt, vor dem wir nun stehen, liegt im Nachbarland zur »Heimat« des Struvebogens, denn das Observatorium an der Universität von Tartu (oder Dorpat, wer’s gerne auf Deutsch hat) in Estland ist der nördliche Nachbarpunkt und die die Referent-Koordinate des Projekts.
Aber das hier ist nun alles nur der Hinweis auf den wirklichen Messpunkt.
Der liegt, wie fast alle Punkte und soweit möglich, auf einem Hügel, einem Berg oder einem Kirchturm. Hier also irgendwo oben im Wald; der war vor fast 200 Jahren ( die Punktkette wurde von 1816 bis 1852 erstellt) deutlich niedriger.
Und da will ich jetzt hin, in Sandalen durchs nasse Grass, über mir die tropfenden Bäume.
Und dann stehe ich vor der Tafel und dem wahren Messpunkt, so wie schon so oft und immer wieder völlig anders, hier flankiert von Farnen, Moosen und Pilzen. Ich muss die Punkte mal alle in einem Beitrag zusammen bringen, denke ich.
Denn es sind jetzt bald alle, die wir erreichen können, es fehlen die ganz im hohen Norden (wo wir voraussichtlich nich mehr hinkommen werden), die in Belarus (wo es nach wie vor schwierig ist) und – abwarten 😉
Aber es geht ja noch weiter!
Aber wir sind ja noch nicht am Ziel. Das heisst Jekabpils und liegt an der Daugava (Düna) und beherbergt einen – genau, den letzten Struvepunkt.
Es wird besser, der Regen lässt nach und es warten neue Überraschungen, kleine …
… und deutlich grössere.
Schloss Odense in Odziena
Das Herrenhaus Odense (hier die englische Wikipedia mit mehr Informationen, die aber wohl hinfällig sind – eine schnelllebige Zeit, in der wir leben) steht da als stolzes Skelett, zwei Türmen, deren Ecktürmchen von Storchennestern belegt sind.
Ansonsten: Alles verlassen, von wegen Kaufladen, Hotel, Café …
Aber es muss wirklich fürstlich zugegangen sein, damals.
Jekabpils
Band fahren wir über die Düna in den südlichen Teil der Stadt. Schade, dass die Geländer immer so hoch sind, der Verkehr erlaubt kein Halten.
Einschub: Wir waren am 16.07.2010 hier in Jekabpils, ich stelle aber gerade fest, dass es viele Fotos gibt, aber keinen Bericht. Nicht ausser dem sehr sinnigen Spruch:
Manches passiert eben nur, wenn man es tut.
Unser Weg führt uns direkt zum letzten Struvepunkt – in Lettland. Der liegt an der schmalen und leicht verwilderten Vilhelma Strūves iela in einem Park.
Und so kommt auch der Punkt vom Sestukalns nochmals zu Ehren, diese zwei von ehemals sechzehn …
Die Hotel- und Restaurantsuche …
…gestaltet sich dann schon schwieriger, als die Suche nach dem Struvepunkt. Beim Hotel werden wir fündig: »Hotel Citrus Spa« entpuppt sich als Anhänger am privaten Hallenbad der Stadt, ist aber ohne Restaurant, aber sonst ok.
Die Luft im Schwimmbad ist eher die einer Sauna, da verzichten wir auf »Spa«.
Zum Essen empfielt die Touristenkarte wenige aber immerhin einige. Nur diese zu finden, das geht schief, sie sind geschlossen oder aufgegeben.
Wir irren durch die Strassen …
… und beschauen uns die Düna vom Nordufer.
Als wir dann endlich ein modernes Café/Restaurant mit Balkon und freien Tischen finden, erfahren wir, dass wir hier nichts bekommen, frühestens in zwei Stunden – obwohl, wie gesagt, genügend Tische frei sind. Vor dem Lokal spricht uns dann eine Passantin an, und zwar in bestem akzentfreiem Deutsch: Was los sei? Ob sie helfen könne? Wir schildern das Problem, sie spricht mit dem Personal – mit demselben Ergebnis: Kein Essen in diesem Lokal; dabei futtern da an die 10, 15 Menschen …
Sie fragt noch, woher wir kommen und ist erfreut: Sie hat lange in Deutschland gelebt und in Münster studiert.
Wir gehen mit letzter Kraft in den Supermarkt und decken uns ein. Essen gibts dann am Katzentisch im Hotel.