* Rund Europa 2019 (5), 5. Tag: Nova Zagora – Orestiada/Neos Pyrgos

Samstag, 08.09.2019, Samstag, 17:45:38 :: Neos Pirgos, Hotel Estia
Montag, 09.09.2019, 21:21:21 :: Fanari
Freitag, 10.01.2020, 15:16:29 :: Naxos

Es ist ganz sicher Zufall, dass wir am Ende des Tages schon wieder in einem Hotel mit dem Namen der Herdbeschützerin Hestia gelandet sind (im Griechischen Ἑστία), zuletzt in Călăraşi (in Rumänien, nicht im zuvor besuchten gleichnamigen Ort in Moldawien).

von der Visitenkarte

Links:

Aber der Reihe nach. Nach einem spärliches Frühstück am Straßenrand fahren wir los nach Swilengrad, Grenzstadt zu Griechenland. Das ging recht flott, da die Strassen fast durchgehend sehr gut sind; bis auf mache Ortsdurchfahrten, da ist wohl ein anderer Geldgeber zuständig beziehungsweise eben niemand. Es ist bergig, eine sehr ruhige waldige Landschaft. Teilweise wird es auch wieder stepping mit wenig Bäumen. Die Getreidefelder sind abgeerntet, zuweilen brennen riesige Flächen.


Der Ortsnamen zeigt, wie weit das Habsburger Reich schon mal gekommen war

Die Dörfer sind in einem sehr traurigem Zustand, viele Häuser verlassen, verfallen, keine Farbe, verwahrlost, oft auch ganz verlassen.


Selbst Polnisch taucht hier auf, »Klein-Polen« vielleicht, denn »gradets« heisst »kleine Stadt«


Bescheidene Landwirtschaft und moderne Technik, kein Gegensatz hier

Und so landen wir in Swilengrad, letzte bulgarische Stadt an der Grenze zu Griechenland und ganz offensichtlich ein beliebter Ausflugsort für vergnügungs- und spielsüchtige Griechen und Türken. Sicher auch einer der bevorzugten Orte, wohin Griechen ihr Bargeld während der letzten schweren Krise gerettet haben.

Die Stadt ist voller Hotels und Spielbanken, teils fertig, teils noch im Bau.

Die Mustafa Pasha Brücke

Aber die Stadt hat auch ein wirkliches Schmuckstück für uns bereit: Die osmanische Mustafa-Pascha-Brücke von 1529 ist zufällig die grosse Überraschung des Tages, ehe wir auf der Autobrücke über die Maritsa nach Griechenland entschwinden: In 21 majestätischen Bögen überspannt sie die aufgestaute Maritsa und erinnert mich sogleich an die Drina-Brücke in Višegrad, die Mehmed-Paša-Sokolović-Brücke, die durch Ivo Andrićs Weltklassiker Die Brücke über die Drina auch literarisch berühmt wurde. Allerdings ist die Drinabrücke deutlich kürzer und hat nur 11 Bogen (gegenüber 21 der in Svilengrad):

The Old Bridge in the southern Bulgarian town of Svilengrad is a 16th century arch bridge over the Maritsa River. It is 295-meters long, 6 meters wide, and has 21 arches. It was built in 1529 AD as the first major work of the most famous Ottoman architect Mimar Sinan. It was part of a medieval Ottoman waqf complex (a property given to a religious establishment for charity purposes, which existed near the bridge). It included a caravanserai (inn), a mosque, a bazaar (market), and a hammam (Turkish bath). The only of these structures to survive to this day is the Turkish bath which has been renovated and turned into an art gallery. It is around this complex that the town of Svilengrad developed. Some historical sources allege that the Ottoman complex near the bridge was built at the initiative of legendary Roxelana (1502-1558), the favorite wife of Ottoman Turkish Sultan Suleiman I the Magnificent (r. 1520-1566 AD), an ethnic Ukrainian.

During the period of the Ottoman Yoke, i.e. when Bulgaria was part of the Ottoman Empire (1396-1878/1912), Svilengrad’s Old Bridge was known as Mustafa Pasha Bridge because its construction was ordered by Coban Mustafa Pasha, an Ottoman statesman and vizier. A flood destroyed some of the arches in 1766, and they were rebuilt in 1809. The Ottoman army unsuccessfully tried to destroy the Old Bridge as it was fleeing the Bulgarian advance after the Battle of Lule Burgas during the First Balkan War in November 1912.

The Old Bridge in Bulgaria’s Svilengrad is comparable to the Mehmed Pasa Sokolovic Bridge on the Drina River in Visegrad, Republika Srpska, Bosnia and Herzegovina, which, too, was built by Ottoman architect Mimar Sinan but much later in his career – in 1577 AD. However, Visegrad’s Mehmed Pasa Sokolovic Bridge is much shorter: it is 179 meters long, and has 11 arches. The other major difference between the two bridges of the legendary Ottoman architect is that the bridge in Bosnia was proclaimed a UNESCO World Heritage Site in 2007, while the bridge in Bulgaria lacks that status.

Archaeology in Bulgaria: The old bridge of Svilengrad

Deutsche Übersetzung (Google):

Die Alte Brücke in der südbulgarischen Stadt Swilengrad ist eine Bogenbrücke aus dem 16. Jahrhundert über den Fluss Mariza. Es ist 295 Meter lang, 6 Meter breit und hat 21 Bögen. Sie wurde 1529 n. Chr. als erstes bedeutendes Werk des berühmtesten osmanischen Architekten Mimar Sinan erbaut. Sie war Teil eines mittelalterlichen osmanischen Waqf-Komplexes (ein Gebäude einer religiösen Einrichtung für wohltätige Zwecke, die in der Nähe der Brücke stand). Er umfasste eine Karawanserei (Gasthaus), eine Moschee, einen Basar (Markt) und ein Hamam (Türkisches Bad). Das einzige Gebäude, das bis heute erhalten ist, ist das Türkische Bad, das renoviert und zu einer Kunstgalerie umgebaut wurde. Um diesen Komplex herum entwickelte sich die Stadt Swilengrad. Einige historische Quellen behaupten, dass der osmanische Komplex in der Nähe der Brücke auf Initiative der legendären Roxelana (1502-1558) erbaut wurde, der Lieblingsfrau des osmanisch-türkischen Sultans Suleiman I. des Prächtigen (reg. 1520-1566 n. Chr.), einem ethnischen Ukrainer.

Während der Zeit des Osmanischen Jochs, d.h. als Bulgarien Teil des Osmanischen Reiches war (1396-1878 / 1912), wurde die alte Brücke von Swilengrad als Mustafa-Pascha-Brücke bezeichnet, da ihr Bau von Coban Mustafa Pascha, einem osmanischen Staatsmann und Wesir, in Auftrag gegeben wurde. Eine Flut zerstörte einige der Bögen im Jahr 1766 und sie wurden 1809 wieder aufgebaut. Die osmanische Armee versuchte erfolglos, die Alte Brücke zu zerstören, als sie während des Ersten Balkankrieges im November 1912 vor dem bulgarischen Vormarsch nach der Schlacht von Lule Burgas floh.

Die Alte Brücke im bulgarischen Swilengrad ist vergleichbar mit der Mehmed-Pasa-Sokolovic-Brücke über die Drina in Visegrad, Republika Srpska, Bosnien und Herzegowina, die ebenfalls vom osmanischen Architekten Mimar Sinan gebaut wurde, jedoch viel später in seiner Karriere – im Jahr 1577 n. Chr.. Die Mehmed Pasa Sokolovic-Brücke von Visegrad ist jedoch viel kürzer: Sie ist 179 Meter lang und hat 11 Bögen. Der andere große Unterschied zwischen den beiden Brücken des legendären osmanischen Architekten besteht darin, dass die Brücke in Bosnien 2007 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde, während der Brücke in Bulgarien dieser Status fehlt.

Sowas lockt mich doch immer: Warum nun die Drina-Brücke UNESCO-Welterbe-Status geniesst und diese hier nicht …

Die gleiche Bauweise, derselbe Architekt und ein sehr ähnliche Widmung an den »Bauherren« unterstreichen das noch:

Siehe Mehmed Pascha, der größte unter
den Weisen und Großen seiner Zeit,
erfüllte das Gelöbnis seines Herzens,
und mit seiner Fürsorge und seinem Eifer
erbaute er eine Brücke über den Drinafluss.
Über diesem Wasser, tief und schnellen Laufes,
konnten seine Vorgänger nichts erbauen.
Ich erhoffe von der Gnade Gottes,
dass ihm dieser Bau fest sein möge,
dass ihm sein Leben im Glück verlaufe
und er niemals Trauer erfahre.
Denn zeit seines Lebens hat er Gold und
Silber für Stiftungen gespendet;
und niemand kann sagen,
dass ein Vermögen vergeudet,
das für solche Zwecke verwendet wurde.
Badi, der dies gesehen, sprach,
als der Bau vollendet, folgende Widmung:
Gott segne diesen Bau,
diese wunderbare und herrliche Brücke!

Drinabrücke, Wikipedia

Und hier die Widmung in Swilengrad:

Jedenfalls wartet heute Abend ein herzhaftes Konzert an diesem schönen Ort auf die jungen Leute, die hier im Schatten sitzen und die Anlage wohl bewachen.

An der Grenze nach Griechenland ging alles sehr zügig. In der Raststätte der ersten Tankstelle dann der erste Griechische Metrio! Wir haben es also fast geschafft, das Senfle hat nicht schlapp gemacht, ausser einem von mir selbst beim Zurücksetzten zertrümmerten Rücklicht ist bisher nichts passiert. Möge es den Rest der Strecke so bleiben.

Auf der autobahnähnlichen Schnellstrasse geht es weiter, vorbei an Kastanies, dem Grenzort zur Türkei, wo wir einst im Garten der türkischen Zollstation zum Tee gebeten wurden. Hinüber nach Edirne würde ich heutzutage nicht mehr reisen; die Gefahr, nicht zurück zu kommen, ist zu gross; hier eine Bild vom April 2006. Die Zeiten ändern sich eben nicht immer zum Guten …

Edirne, April 2006

Edirne, April 2006

Orestiada

Der nächste grosse Ort und unser heutiges Ziel ist dann Orestiada, eine Neugründung, wo wir zufällig neben der Polizeizentrale parken: Alles voller hin und her eilender Polizisten, Polizeiautos überall – kurz: Polizei in Hülle und Fülle: Man merkt deutlich, wo wir sind.

Die Stadt wurde 1923 von den griechischen Vertriebenen aus der Gegend des mittlerweile türkisch gewordenen, knapp 20 km nordöstlich gelegenen Edirne (= Adrianoupolis = Orestiada) neu gegründet, daher die exakte schachbrettartige Anlage:

Links:

History of Orestiada

According to the legend, Orestes, in order to escape from the Erinyes (Furies) at the suggestion of the Oracle of Delphi, he headed to the area of ​​Adrianoupolis and the confluence of three rivers: Evros, Ardas and Tontzou. He was bathed and healed of the sin that was haunting him. At this point, he built the city and gave it his name: Orestiada. Slowly Orestiada grew and for several centuries it was the center of Thrace, as it was the seat of the most important Thracian Kings.

In 127 BC the Emperor Hadrian of Rome visited Orestiada, and after he embellished and fortified it, he renamed it Adrianoupolis. This name has been established since then and kept until nowadays even by the Turks, even somewhat altered (Edirne).

In 1361, Adrianoupolis was conquered by the Ottomans and became their first capital city in Europe. In 1920 after the World War I, Adrianoupolis was given to the Greeks after five and a half centuries. The release, however, only lasted 2 and a half years. After the Asia Minor catastrophe and the Treaty of Lausanne, Greeks abandonned definitively Karagatz and Adrianoupolis.

Historisches über Oristiada (English)

Deutsche Übersetzung (Google

Der Legende nach begab sich Orestes auf Anregung des Orakels von Delphi in die Gegend von Adrianoupolis und zum Zusammenfluss von drei Flüssen: Evros, Ardas und Tontzou, um den Erinyes (Furien) zu entkommen. Er wurde gebadet und von der Sünde geheilt, die ihn heimsuchte. Zu diesem Zeitpunkt baute er die Stadt und gab ihr seinen Namen: Orestiada. Langsam wuchs Orestiada und war mehrere Jahrhunderte lang das Zentrum von Thrakien, da es der Sitz der wichtigsten thrakischen Könige war.

127 v. Chr. besuchte der Kaiser Hadrian von Rom Orestiada, und nachdem er es verschönert und befestigt hatte, benannte er es in Adrianoupolis um. Dieser Name hat sich seitdem etabliert und wurde bis heute auch von den Türken beibehalten, obwohl etwas verändert (heute Edirne).

Im Jahr 1361 wurde Adrianoupolis von den Osmanen erobert und wurde ihre erste Hauptstadt in Europa. 1920 nach dem Ersten Weltkrieg wurde Adrianoupolis nach fünfeinhalb Jahrhunderten an die Griechen übergeben. Diese Befreiung dauerte jedoch nur zweieinhalb Jahre. Nach der Kleinasienkatastrophe und dem Vertrag von Lausanne gaben die Griechen Karagatz und Adrianoupolis endgültig auf.


Der Hauptplatz von Orestiada

Die beiden Hotels am Ort, die wir finden, sind beide belegt. Ich finde dann während des Mittagessens in einem der zahlreichen Restaurants (wir sind wieder in Griechenland, was für ein Unterschied zu den Tagen zuvor in Moldawien bis Bulgarien) im Internet das Hotel Estia in Neos Pirgos, im Ort gleich nebenan, sogar mit Schwimmbad. Telefonisch reserviert finden wir wenig später diese total typisch griechische, relativ grosse aber familiäre und fast leere Anlage mit endlich wieder wirklich freundlichen Gastwirtsleuten. Die wirtschaftliche Lage in den vorigen drei Ländern schlägt stark aufs Gemüt, was Wunder. Häufig trafen wir dort auf vergrämte Gesichter und lustlose Menschen. Was doch ein paar Kilometer Landstrasse und eine Flussüberquerung ausmachen. Giurgiu-Russe lassen grüssen! Russe selbst war da allerdings die hervorstechende Ausnahme.

Da schwimmen wir genüsslich und sitzen dann am Abend unten im Aufenthaltsraum, freundliche Wirtsleute, einer spricht perfekt Deutsch, ein fusskranker Hund, nach einem Unfall auf der Strasse gefunden und nach Hause mitgenommen, bettelt um Streicheleinheiten und im TV ist Eröffnung der Industriemesse in Thessaloniki mit langatmiger kirchlicher Messe und einem ewig dümmlich-freundlich grinsenden Mitsotakis samt erblondeter Ehefrau; alles schwitzt und fächelt. Der Patriarch kann kaum durchhalten, mit brechender Stimme zelebriert er seinen Teil der Liturgie, selbst ein Chor mit Stimmenpotenzial fehlt nicht und rettet über kritische Momente hinweg.

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