* Rund Europa 2016 (3), 26. Tag: Wylkove – Kilija

Freitag, 16.09.2016, 21:17:23 :: Kilija, Hotel Style
Freitag, 10.02.2017, 11:40:42 :: Galanado
Dienstag, 15.10.2019, 19:57:02 :: Galanado

Wylkove, ein Morgen an der Donau

Ich denke, wer das sieht, versteht, dass man es hier länger aushalten kann. Lis ist vor Sonnenaufgang ans Ufer gegangen, als die letzten Nebel noch über dem Wasser schwebten. Das erste Boot kam auch schon vorbei. Ich habe das alles verschlafen.

Aber die neugierigen Hundekinder und das Frühstück, das habe ich dann alles mitbekommen. Wir studieren noch die zahlreichen Schautafeln, soweit sie noch lesbar sind. Die Tier- und Pflanzenwelt ist hier wohl noch in Ordnung und zahlreich.

Unfassbar auch, welche Veränderung das Delta in den letzten knapp 200 Jahren erfahren hat. Nie habe ich mir darüber Gedanken gemacht, was dieser Fluss seit seiner Ankunft hier alles abgeschliffen und herangeschafft hat. Und das dauert natürlich an, der »Point Zero« wandert nach wie vor weiter hinein ins Schwarzer Meer.

Trotz aller Ausblicke, Schautafeln und dem Wunsch, noch einen Tag zu bleiben: Wir erinnern uns dann doch an unseren gestrigen Entschluss, mutig die direkte Strecke nach Kilija zu nehmen. Wie schon irgendwann erwähnt, es sind nur ca. 35 km – aber wir wissen, dass es schwierig wird, dass wir vielleicht umkehren müssen … Jedenfalls: es werden drei harte Stunden.

Auf der Strasse? Selten so stockend geholpert

Es beginnt alles harmlos. Wir überqueren die Kanäle des »Ukrainischen Venedig« und durchqueren die Stadt auf diesen martialischen Betonplattenstrassen; anders lässt sich ein verlässlicher Untergrund zum Fahren wohl nicht bauen und erhalten, denn hier ist ansonsten alles auf Sand gebaut.

Irgendwann ist allerdings Schluss mit lustig. Wir landen, wie befürchtet, auf den Resten der Strasse, die uns nach Kilija führen soll, auf der man aber meist nur noch klägliche Reste eines Asphaltbelags antreffen kann. Wehe dem, der hier zu Regen- oder gar Überschwemmungszeiten fahren muss!

Vor allem sind es die Schlaglöcher jedweder Grösse, die einem Angst einflössen können. Manche sind zu gross, um sie zwischen die Räder zu nehmen, andere so eng gedrängt und tief, dass man weiträumige Umwege durch die bereits ausgefahrenen Felder suchen muss. Zuweilen muss ich erst weit zurücksetzen, um die Ausweichstrecke zu erreichen. Wer hier jeden Tag verkehrt, weiss um die kritischen Stellen und biegt rechtzeitig ab.

Wir sind ja nicht alleine. PKWs, Kleinlaster, der Linienbus – alle suchen die Stellen, an denen es ein Durchkommen geben könnte und meist dann auch irgendwie gibt und überholen uns dabei regelmässig.

Es ist Hölle, Hölle, Hölle.

Vorbei geht es an Kanälen und Sieltoren, die wohl dem Füllen von Seitenkanälen, sei’s zum Ausgleich bei Hochwasser oder zur Bewässerung weiter entfernet Felder dienen.

An einer der Brücken steigt ein Mann aus seinem Laster, als ich am Fotografieren bin, kommt zu mir herüber und fragt allen Ernstes, was wir hier machen. Auf Deutsch. Wir erklären, dass wir eben diese Landschaft sehen möchten, was anders nicht möglich ist, als hier herum zu hoppeln, so wie die vielen Menschen, die diese Strecken hier tagtäglich machen müssen, der Busfahrer, die Versorger … Er war also in Deutschland, daher die leichte Verständigung. Er fragt auch, wo wir denn zu übernachten gedächten, er hätte ein Zimmer zu vergeben. Das nehmen wir natürlich gerne an. Er würde auf dem Hauptplatz auf uns warten, meint er, wir würden ihn schon sehen, schwingt sich auf seinen Laster und braust hüpfend ab.

So geht es die ganze Strecke, es hört nicht auf. Wir müssen uns zwingen, genau auf den Weg zu achten aber auch, die Welt neben uns nicht zu vergessen.

Kilija

Die Stadt ist Namensgeber des Kilijaarms, des wasserreichsten der drei Hauptarme der Donau, zwischen denen sich das Delta aufspannt. Sie liegt am nördlichsten Teil des Bogens und war eine der sehr zahlreichen Genueser Kolonien. Man glaubt es nicht.

Es war damals vielleicht noch trostloser, vielleicht aber auch prächtiger. Der Anblick, der sich uns bei der kurzen Durchfahrt bietet, ist jedenfalls eher deprimierend, denn wir erkennen zuweilen leicht, dass es hier einmal prachtvoll gewesen sein muss.

Auf dem Hauptplatz finden wir den wohl unvermeidlichen Klamottenmarkt, ein nettes – und wie sich herausstellt – sehr gutes kleines Restaurant, nicht aber unseren LKW-Fahrer von unterwegs, obwohl wir uns da lange wartend erholen von der Schüttelpartie; wir hatten, wie sich heraus stellt, immerhin einen Schnitt von knapp mehr als 12 km/h; aber mit dem Fahrrad wären wir schneller gewesen …

So gehen wir schliesslich auf Hotelsuche. Und sind auch schnell fündig. Das Zimmer ist prunkvoll, aber etwas eng und vor allem heiss, da ohne Klimaanlage. Wir laden aus, was nötig ist und begeben uns schnell wieder nach draussen. Die Genueser Kolonie will erkundet sein und zwar bei Licht.

Wir sind hier am südlichen Ende von Bessarabien, nebenbei bemerkt. Südlich, auf der anderen Donauseite, beginnt die Dobrutscha.


Beide Karten: Wikipedia

Beide Landschaften waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stark von deutschen Siedlern bewohnt und urbar gemacht worden. Die Geschichte dieser Menschen und Landschaften am östlichen Rand Europas wird heute allzu leicht vergessen beziehungsweise verdrängt.

Den grössten Teil Bessarabiens haben wir dann erst 2019 bereist; derzeit (2019-10-15) ohne Beiträge.). Auch die Dobrutscha haben wir 2019 erneut bereist.

Links:

Wo wir wandeln, wird uns später bewusst, als wir uns dem Stadtpark zuwenden. Zunächst ist der Hafen und das Donauufer unser Ziel. Kilija war ja eine bedeutender Hafen und Handelsplatz. Das Bild, das die Stadt im 16. Jahrhundert zeigt, hat aber so gar nichts mehr mit dem gemein, was wir vorfinden.


Wikipedia

Der Hafen ist verschlossen. Nur Wehrhaftes bekommen wir zu Gesicht. Allerdings eher aus vergangener Zeit, denn gegen Rumänien ist der Aufwand heute wohl entschieden zu gross. Und die Genueser werden wohl auch nicht kommen …


»Die Staatsgrenze ist mein Schicksal, meine Wertschätzung, meine Herrlichkeit!«

Ein Kommentar erübrigt sich.

Nach langem Suchen in den Nebenstrassen entdecken wir eine wahre Präziose: Wie ein altes hölzernes Hausboot steht da ein Komplex im Wasser. Ein Steg führt hinüber aber wir sind unsicher, ob wir dort hinüber sollen oder dürfen. Da geht die Türe auf und ein älterer Herr winkt und ruft: Wir sollen kommen. Was wir natürlich tun und so betreten wir dieses alte Gebäude, was immer es auch einst war. Wir vermuten, der Herr wohnt hier und bewacht diese Relique.

Die Kräne draussen rosten vor sich hin – mir will scheinen, hier ist Schachtende.

Der Stadtpark

Als wir vom alten Hafen zurück kehren stossen wir auf die Mannschaft, die das Transparent für den morgigen Tag anbringen: »WILLKOMMEN BEIM BESSARABIEN-MARKT!« prangt da. Wir überlegen, während wir in den Park schlendern, ob wir das Wochenende hier bleiben sollen. Aber man kann nicht alles mitnehmen, so langsam müssen wir zurück.

Herzlich willkommen auf dem Bessarabien-Markt!

Herzlich willkommen auf dem Bessarabien-Markt!

Ja, der Park. Lenin treffen wir nicht mehr an, gleich am Eingang. Auch weiterhin ist es eher trostlos, da helfen die eifrig und überall verteilten ukrainischen Farben auch nicht viel weiter.

Und so landen wir bei Sonnenuntergang wieder bei unserem Hotel, dem im Übrigen ein kleines Freilichtmuseum angeschlossen ist.

Im Restaurant direkt nebenan ist Kindergeburtstag, zu einem Bitter Lemmon reicht’s gerade, zu Essen gibt es nichts, überlastet … Da bleibt nur wieder ein Gang in die Stadt zum schon am Mittag als sehr gut empfundenen Restaurant.

So klingen Tage an der Donau im südlichen Bessarabien aus.


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