* Rund Europa 2019 (4), 2. Tag: Korycin – Meszki

Sonntag, 18.08.2019, 17:27:11 :: Meszki, privat

Beim Frühstück lassen sich die Wirtsleute nicht lumpen, wir aber streiken – das-ist-zu-viel!

Eingedenk der anstehenden Besichtigungen in Treblinka und der Tatsache, dass da in Meszki jemand auf unswartet, beschliessen wir, den Kulturpark Korycin-Milewszczyzna auszulassen – es geht eben nicht alles.

Die Windmühle aber findet sich, da dicht an der Strasse, dann doch hier.

Es ist Sonntag, überall sind die Kirchen gut besucht, wie in Griechenland stehen viele draussen an der Mauer und lauschen dem Lautsprecher. Die Gottesdiensten sind oft mit einem Trödelmarkt davor und/oder einem Strassenfest verbunden. So bleiben wir eben doch wieder hier und da hängen.

Treblinka

Frühere KZ-Standorte zu besuchen, halte ich persönlich für eine Pflicht, auch wenn es nicht nur Mühe macht, sondern emotional eine Menge Kraft kostet. Muss aber sein, meine ich wie gesagt.

…
Ich höre immer wieder, man müsse sich »das nicht antun«, könne die Verantwortung umgehen oder gar ablegen, indem man sie negiert, einfach nicht wahrnimmt. Ich bin da anderer Ansicht: Um zu begreifen, muss man zumindest hinsehen. So auch in Majdanek. Und eben generell in Osteuropa, es sei hier nochmals wiederholt. Es gibt kaum einen Ort, an dem Deutschland nicht Schuld auf sich geladen hätte. Nicht allein, nein, Pogromstimmung gegen Juden, die oft ja Mehrheiten bildeten in vielen Dörfern und Städten in Polen, der Ukraine, den baltischen Staaten (Vilnius z.B.) und Minderheiten wie Sinti, Roma u.a. sie war in den Köpfen auch vieler Polen, Ukrainer, Rumänen etc. und sie haben z.T. ohne »deutsche Anleitung« den deutschen Mördern in nichts nachgestanden. Aber das mindert unsere Schuld in keiner Weise. Die Last müssen wir tragen (über Deutsche und »Deutschsein« in Rumänien später).
…


* Europa2010: 45. Tag, Bielsk Podlaski – Lublin – Zamość

Links:

Wie wir schon bei früheren Besuchen ehemaliger Nazi-Konzentrationslager in Polen festgestellt haben, ist auch hier in Treblinka die Ausschilderung eher unzureichend. Wer nicht danach sucht, fährt wohl einfach vorbei.

Wir suchen aber und finden uns etwas verwirrt auf einer alten, schmalen und schlechten Strasse wieder, die ich als historisch identifiziere, die aber nirgendwohin führt. Erst als wir dann auf der Hauptstrasse bei der Rückfahrt noch genauer schauen, sehen wird dann doch ein paar wenige Schautafeln und das Stationsschild des ehemaligen Bahnhofs verschämt am Strassenrand, die Rampe dann auch und schliesslich nach nochmaliger Konsultation der GPS-Karte auch das Museum. Wäre dort nicht gerade ein Biker gestanden, wir hätten es wohl wieder verpasst.

Was ich damit auch sagen will: Polen hat nach meiner Vermutung ein gestörtes Verhältnis zu diesen grässlichen Schauplätzen ehemaligen Deutschtums. Das fiel mir in Auschwitz zum ersten mal auf, als ich mich fragt, ob dort eigentlich nur Polen ermordet wurden; die Erklärungstafeln erwähnten Juden u.a. nur ausnahmsweise. So war mein Eindruck. Auch Sobibór liegt versteckt im Wald. Und im Wikipediaartikel über Bełżec liest sich diese »Zurückhaltung« dann so:

Bis mindestens 1956 war das Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers ohne Umzäunung und unbeaufsichtigt zugänglich. Erst Ende 1963 wurde ein erstes Denkmal mit der Tafelinschrift „Zur Erinnerung an die Opfer des Hitlerterrors“ errichtet, das den Hinweis auf die jüdischen Opfer vermied. 1995 unterzeichnete das American Jewish Committee in Warschau einen Vertrag über eine neue Gedenkstätte. Bevor die Bauarbeiten begannen, wurden von 1997 an archäologische Untersuchungen durchgeführt, bei denen 33 Massengräber lokalisiert werden konnten.[20]
2004 wurde eine neue Gedenkstätte nach Entwürfen der polnischen Bildhauer Andrzej Sołyga, Zdzisław Pidek und Marcin Roszczyk eröffnet, die die Topografie des Lagers und der Vernichtungsmaschinerie dort aufzeigt, wo bis dahin nur planierte Erde zu sehen war.

Wikipedia: Bełżec, Gedenkort

Was auf Gutdeutsch wohl heissen soll, dass man das politisch Polen zur Verantwortung tragen muss. Auch literarische Aufarbeitungen zeigen immer wieder, dass es Polen schwer zu fallen scheint, seine Vergangenheit aufzuarbeiten.

Oder so:

Die Tragweite und vernichtende Kraft eines Ereignisses wird gerade darin deutlich, dass es nicht benannt werden kann und auch nicht darf – nicht einmal vor sich selbst in der Abgeschiedenheit des Tagebuchs. Das Datum schließt eine Wunde, die nicht berührt werden darf.

Fritz, Susanne. Wie kommt der Krieg ins Kind. Wallstein Verlag

Links:

  • Susanne Fritz, Wie kommt der Krieg ins Kind. Wallstein Verlag
  • Géraldine Schwarz, Die Gedächtnislosen: Erinnerungen einer Europäerin (German Edition). Secession Verlag
  • Christian Meier, Das Gebot zu vergessen und die Unabweisbarkeit des Erinnerns -: Vom öffentlichen Umgang mit schlimmer Vergangenheit. Econ

Die Bahnstation

Ja, da also steht dieses Schild. Ein Gebäude gibt es nicht mehr, die Gleise fehlen, ein Kiesrampe, diese alte Strasse von gerade eben und die drei Schautafeln. Das blieb von der ersten Endstation des Grauens. Bis es dann weiter ging. Aber das sehen wir erst ein, zwei Kilometer weiter im Museum.

Und es ist immer wieder dasselbe: Es fehlt uns, hineingestellt in diese Vergangenheit aus Kiefern, Zähnen, Amuletten, Becher, Tellern, Anordnungen, Drohungen einfach die Möglichkeit zu begreifen. Ich weigere mich eigentlich hier zu fotografieren. Aber es ist die doch wirkende Sterilität eines Museums, der Raum, der nicht Wirklichkeit ist, der hilft, doch Eindrücke einzufangen.

In Auschwitz, in Dachau, in Buchenwald – nie hätte ich dort fotografieren können.

Keine ZÅ‚oty, daher gibt’s auch keine Literatur, die ich sehr gerne mitgenommen hätte.

Links:

Meszki

Finden das Haus nicht, Nr. 10.

waren wir dort als Couchsurfer zu Gast.

Evelina und Freund, Konversation zusammen mit Eltern beim Essen (Hühnchen mit Reis, Tomatensalat, Kuchen und Kompotas). Preise, Euro, Griechenland Krise, Fremdarbeiter in der EU, Status Polens, …

Zürich hat gut geklappt.

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