Dienstag, 10.09.2019, 20:37:10 :: Asprovalta, Athina Hotel
Freitag, 31.01.2020, 14:22:36 :: Naxos
Dafür, dass die Hotels fast alle voll belegt sind, sieht es heute Morgen doch sehr leer aus. Kein Restaurant hat offen, es ist immerhin nach neun Uhr.
So durchkämmen wir den Ort und finden diese Bäckerei, die offensichtlich auch den normal aufgestandenen Griechen als Zufluchtsort dient. Und so kommen wir doch zu so etwas wie einem Frühstück.
Vistonida-See und Nestosdelta
Und danach gehts auf die Strecke, die mal wieder eine sehr archäologische werden wird. Zunächst geht es über den Damm, der den Vistonida-See vom Meer trennt. Damals, Ende April 2006 fuhren wir hier bei verhangenem Himmel, immer mal wieder gabs Nebel und Regen. Nichtsdestotrotz wimmelte es von Moskitos, sodass wir schnell und bei geschlossenen Fenstern den Damm überquerten.
Heute sieht es sehr viel besser aus. Es wird also auch wieder ein warmer Tag.
Ach ja, aber da wäre noch die Geschichte eines Immobilien-Skandals 2008, in den das Athos-Kloster Vatopedi und der Griechische Staat verwickelt waren. Kurz und knapp: Das Kloster hat sich bei der Transaktion »See samt Ufer« gegen »werthaltigere Grundstücke« eine richtig goldene Nase verdient; ihm gehörte der See samt Ufer, dem nach dem Willen der Regierung dem Nationalpark zugeschlagen werden sollte. Es gäbe viele Rücktritte auf Regierungsseite und »… der Archimandrit Efraim wurde am 25. Dezember 2011 von der griechischen Polizei festgenommen und wenige Tage später in das Hochsicherheitsgefängnis Korydallos bei Athen gebracht.« heisst es in der obigen Meldung.
Immerhin aber gehört heute der See und das ganze westlich gelegene Nestosdelta zum »Nationalpark Ostmakedonien und Thrakien«; was so falsch ja nicht ist.
Abdera
Wir umfahren das Delta in Richtung Xanthi und lassen die Reste der einst bedeutenden Stadt Abdera an der Küste im Süden liegen, da wir dort 2006 bereits waren.
Ja, Abdera. Wie ich jetzt, da ich schreibe, neueren Bildern entnehme, hätte sich ein Besuch aber wohl doch gelohnt; die Ausgrabungen und Restaurierungen in den vergangenen dreizehn Jahre haben offenbar noch einiges hervorgebracht. Daher eben nun ein paar Eindrücke vom April 2006. Aber vielleicht kommen wir ja mal wieder vorbei …
Noch eine kurze Bemerkung zu Abdera: Sie gilt als der Geburtsort des griechischen Philosophen/ Sophisten Protagoras, der in Platons Dialogen Protagoras und Theaitetos eine sehr wichtige Rolle einnimmt. Er gilt als der Urheber des Satzes, dass der »Mensch das Maß der Dinge« sei, wäre also damit der Urvater des modernen Konstruktivismus oder Relativismus. Platon nimmt ihn sehr ernst und stimmt ihn in gewisser Weise bei, obwohl er gegen Protagoras behauptet, dass das Göttliche das Maß der Dinge sei. Die Bedeutung von Protagoras kann kaum überschätzt werden, gerade in der modernen Erkenntnistheorie. In der vulgarisierten Form »Alles ist relativ« dürfte er aus Diskussionen fast allen bekannt sein.
Wenige Kilometer nach Xanthi überqueren wir dann den Nestos, die Grenze zwischen Makedonien und Thrakien, und fahren nach Süden, nach Kavala. Es muss vielleicht erwähnt werden, dass wir hier durch Gebiete mit sehr gemischter Bevölkerung fahren. Insbesondere im Norden Thrakiens finden sich neben der griechischen Mehrheit türkische und bulgarische Minderheiten (Pomaken) und Roma.
Kavala hat eine bewegte Vergangenheit und wäre mal wieder einen längeren Aufenthalt wert.
Aber wir haben heute weit Wichtiges vor. Nördlich von Kavala findet sich nämlich ein originales Wegstück der …
…Via Egnatia
Diese rund um das Jahr 146 v. Chr. gebaute antike Heerstraße war die Verkehrsverbindung zwischen Rom und Byzanz, den beiden weltlichen und kirchlichen Zentren Europas. Nicht nur Soldaten marschierten hier, auch Händler nutzen sie und selbst Kaiser Hadrian soll hier per pedes unterwegs gewesen sein. Sie verlief (und verläuft z.T. noch) zwischen Durrës im Norden Albaniens und dem heutigen Istanbul.
Die oben beschriebene Stadt Abdera, verlor übrigens ihre Bedeutung mit dem Bau der Egnatia, da die Soldaten- und Händlertrosse sich nun auf dem Landweg nach Osten bewegten.
Ein durch Zaun und Gartentor versperrtes Stück hatten wir ja bereits gestern gefunden.
Hier, hoch über Kavala, stehen und gehen wir nun auf den Steinen, wie angeblich einst Kaiser Hadrian, der es liebte, die Natur auf Schusters Rappen zu geniessen.
Die antiken Nutzer des Weges hätten es wohl sehr zu schätzen gewusst, ein gut ausgestattetes Hospital wie hier oben im Bild am Wege vorzufinden. Und was unverständlich ist: Es gibt keine Wegweiser hierher. Nur eine mässig informative überdachte Infotafel steht auf der Parkbucht, von der aus man hintergeht zur Via Egatia, an der man deshalb normalerweise achtlos vorbei fährt. Zumal nach meiner Beobachtung die wenigen Mitparker eher den Blick auf Kavala und das Meer bewundern, als die Informationen zur Via Egnatia.
Literatur
Eine sehr erkenntnisreiche Quelle war und ist mir dieser kleine Reiseführer, den es auf Papier und digital gibt.
Da Griechenland die Autobahn, die im Westen Igoumenitsa mit Thrakien im Osten verbindet, Egnatia Odos getauft hat, bleibt diese über 2000 Jahre alte Strasse wenigstens so im Gedächtnis.
Filippoi
Ach ja, mal wieder die quälende Frage, wie sie υθ schreiben ιστ, die alte Stadt, der Paulus seine Briefe aus römischer Gefangenschaft geschickt hat: Philippi? Filippi? Filippoi? Letzteres wird der griechischen Schreibweise Φιλιπποι am besten gerecht. Bleiben wir also dabei – Filippoι.
Jedenfalls ist diese alte und, insbesondere für das Christentum auf europäischen Boden so bedeutende Stadt unser nächstes Ziel.
Nach Apostelgeschichte (Apg) 16,12 EU heißt Philippi (Φιλιπποι) „eine Stadt (πολις) des ersten Bezirks von Makedonien, eine (römische) Kolonie“. Paulus gründete in Philippi die erste christliche Gemeinde auf europäischem Boden. Im 1. Thessalonicher 2,2 EU schreibt Paulus, dass er in Philippi „gelitten hatte und misshandelt worden war“. Der Verfasser der Paulusakten berichtet von Paulus‘ Reise von Philippi nach Korinth. In dieser Stadt berichtet Paulus von Zwangsarbeit, die er in Philippi leisten musste. Apg 20,6 EU erwähnt, dass Paulus Philippi mit dem Schiff auf seiner letzten Reise nach Jerusalem verließ. Auch Polykarp schrieb zwei Briefe an die Gemeinde in Philippi.
Das Ausgrabungsgelände liegt nur ca. zehn Kilometer nordwestlich, wir sind also schnell dort, allerdings in der Mittagshitze.
Nach der Besichtigung des Theaters gibt Lis wegen Hitze auf. Ich will aber mehr und mache mich auf zu einem Rundgang, weigere mich aber dann doch, dieses riesige Feld zu durchmessen, auf dem sich derart viele Menschen tummeln und auf das die Sonne unbarmherzig herab brennt.
Ein Unikum
Die folgende Säule verdient besondere Beachtung, denn eine mit christlichem Insignien geschmückte antike Säulen, gibt es nur hier:

Ich war knapp eineinhalb Stunden unterwegs; das reicht. Von der Sonne mehr als verwöhnt lassen wir uns zu einem Imbiss nieder, ohne uns anzustellen – wir lassen uns ganz einfach bedienen …
Mehr Fotos in Google Fotos, ganz am Artikelende
Amfipolis
Nicht, dass jemand auf den Gedanken kommt, das wäre es gewesen für heute. Nachdem wir uns gestärkt haben, geht es im Grossen Bogen nach Norden weiter über Doxáto …
… um den Gebirgsstock herum nach Amfipolis (Ἀμφίπολις); wir folgen damit der antiken Via Egnatia, ohne dass wir etwas von ihr bemerken. Es lässt sich leicht nachlesen, was es hier alles zu bestaunen gäbe. Zum Beispiel die grösste bisher in Griechenland aufgefundene Grabanlage auf dem Kasta-Hügel, die erst 1960 entdeckt wurde. Sie wäre natürlich das Glanzlicht des Tages gewesen. Allein, der Zugang ist verwehrt und wir finden ihn auch gar nicht.
Der Kasta Hügel liegt 2,5 Kilometer nordöstlich der Akropolis. Seit den 1960er Jahren ist die Existenz eines Grabes auf dem Kasta Hügel bekannt, 2012 begann man mit den Grabungsarbeiten. Im Sommer 2014 wurde ein aufwändig gestalteter Eingangsbereich freigelegt, er besteht aus der Abfolge: Versiegelungsmauer, einem von zwei Sphingen behüteten Durchgang, einem erdgefüllten Vorraum, einer zweiten Versiegelungsmauer und im Anschluss einem Tor mit zwei Karyatiden. Es handelt sich um die größte Grabanlage, die bisher in Griechenland gefunden wurde. Die Anlage ist von einer 497 Meter langen und drei Meter hohen Mauer aus Marmor umgeben, der von der Insel Thassos stammt. Der Grabhügel ist ca. 30 Meter hoch, 250000 m³ Sand wurden benötigt, um ihn aufzuschütten. Das Grab soll im späten 4. Jahrhundert v. Chr. (325-300) erbaut worden sein.
Wer in dem Grab beigesetzt wurde, ist unbekannt. Anfängliche Spekulationen, dass Alexander der Große hier seine letzte Ruhe fand, haben sich bisher nicht bestätigt. Teile der das Grabmal umfassenden Mauer wurden während der römischen Periode entfernt, einzelne Steine könnten in der Basis der Statue des Löwen von Amphipolis verwendet worden sein.
Links:
- Man wird wohl nie wissen, wer hier lag: Grab bereits geplündert
Zum oben erwähnten Löwen kommen wir gleich noch. Was wir zunächst finden sind die Reste des im Jahr 1367 erbauten byzantinischen Turms von Marmarion, ein Turm, der aus den kuriosesten Teilen zusammengesetzt wurde; offensichtlich gab es da bereits eine Menge Trümmerteile …
Die Brücke
Wir suchen und finden auch die Reste der hölzerne Brücke über den Strymon. Allerdings finden wir auch hier keinen Zugang, die Fotos der zahlreichen bis heute erhaltenen Holzpfeiler liegen also hier hinter Gittern.
Die Ausgrabungen begannen 1977 und wurden ein Jahr später beendet. Die vorgefundene Konstruktion zeigt, wie in der Antike Brücken konstruiert und gebaut wurden. Die frühesten Funde datieren aus der Zeit um 500 v. Chr. Die Brücke war 275 Meter lang und ist mit dem Tor Γ (Gamma) der Nordmauer verbunden. Sie wurde von Pfeilern aus Eichenholz getragen, deren Enden teilweise mit Eisen verstärkt wurden. 101 dieser Pfeiler sind erhalten. Davon befinden sich 24 innerhalb von Tor Γ, 77 Pfeiler liegen außerhalb. Die Pfeiler am niedrigsten Punkt des Ufers wurden während der klassischen Periode gesetzt, die höchsten Pfeiler während der römischen oder gar erst während der byzantinischen Periode. Es existiert nur noch die Konstruktion auf der Ostseite des Strymon, die Pfeiler auf der Westseite wurden bei Bauarbeiten zwischen 1929 und 1932 zerstört.
Thukydides hat die Brücke in seiner Beschreibung der Schlacht von Amphipolis 422 v. Chr. wie folgt erwähnt: „Zu dieser Zeit empfingen sie Brasidas in ihrer Stadt und revoltierten gegen die Athener in derselben Nacht. Vor Tagesanbruch brachte er (Brasidas) seine Armee über die Brücke, die in einiger Entfernung von der Stadt lag und nicht mit deren Mauern verbunden war, so wie sie es heute ist. Brasidas überwand die Wache an der Brücke mit Leichtigkeit. Teilweise war Verrat der Grund, teilweise das stürmische Wetter und die Tatsache, dass der Angriff unerwartet kam“.
Zum Aufsuchen weiterer Sehenswürdigkeiten hier oben fehlt uns jetzt die Kraft; es reicht, besonders, nachdem wir das Senfle erfolgreich gewendet haben und zurück auf der Strasse sind. Aber unten am Strimon, da wartet …
… Der Löwe …
… auf uns. Diesen riesigen Löwen von Amphipolis kennen wir seit September 2008, als wir von Gotse Delchev in Bulgarien hier vorbei kamen. Am Fusse des Monuments fanden wir zwei wirklich süsse Hundebabies, die winselnd um Futter und vor allem wohl Wasser bettelten. Wasser konnten wir ihnen geben, aber was aus ihnen geworden ist …?
Links:
- Revamp of Amphipolis Archaeological Sites in Progress :: Posted On 23 Dec 2020 By GTP editing team
Asprovalta
Ab jetzt fangen wir an, eine Unterkunft zu suchen, entlang der Strecke, auf der wiederum die Via Egnati verlief. Deshalb muss es hier was geben, hier an der Strasse, nahe der Küste mit ihren mehr oder weniger romantischen Stränden. Nach längere Fahrt lassen wir uns etwas entnervt hier in Asprovalta nieder, einem tristen Ort, der fast ausschliesslich vom Tourismus lebt.
Nach einem kleinen Ausflug an den Strand ist Schluss für heute. Aber mehr ist hier auch nicht – kein Platz für einen Urlaub, ganz sicher nicht, Sonnenuntergang hin oder her.