Was man nicht ändern kann…

…das muss man auch nicht wissen.

Oder umgekehrt? Was man nicht weiss, das muss man auch nicht ändern?

Wenn man so privilegiert auf einem halbtropischen Eiland mit Blick auf Ozean, Bananen und Euphorbien hat – was tut man da eigentlich so den ganzen Tag? Man liest. Zum Beispiel. Das führt zwangsläufig zum Nachdenken, es lässt sich gar nicht vermeiden. Nun ist Denken an sich ja gar nichts Schlechtes, wäre da nicht der aufkommende Zweifel, wozu? »Man müsste…«, »man braucht doch nur…«, »warum machen die nicht einfach…?« und so weiter.

Dann machen wir es anders

Wenn man könnte. Womit wir wieder beim Thema wären. Ein Kommentar bringt zum Ausdruck, wie die Stimmung ist: Was tun? Hilflosigkeit, Fassungslosigkeit. Da hat man nun alle Möglichkeiten, sich zu informieren, zeitnah, umfassend. Das Internet lässt das alles zu, Ausreden gelten nicht. Und man ist versucht anzunehmen, wenn derart viele Menschen wissen, was vor sich geht, dann würden die Verantwortlichen das Genick einziehen, sich schleichen und vernünftig arbeiten, reagieren, das Richtige tun.

Aber sie labern, lügen, verschweigen. Sie arrangieren sich. Sie kümmern sich um ihre Diäten (bitte! Sie sollen so gut verdienen, wie sie arbeiten; so wie angeblich alle anderen auch.). Sie haben die Dreistigkeit, uns von der Unumkehrbarkeit der Globalisierung zu erzählen, von der Notwendigkeit tiefer Einschnitte, vom notwendigen Ausverkauf lebens- und staatsnotwendiger Infrastruktur, von Chancengerechtigkeit (früher -gleichheit), von der unverbrüchlichen Freundschaft zu einer Mafia-Administration, die die grösste Volkswirtschaft der Welt in den Ruin treibt, die Umwelt bewusst im grösstmöglichen Umfang schädigt und, wie es scheint, den Rest der Welt gleich mit; und, und, und – und bedienen immer nur die, die nicht mit und unter uns sind. Nicht die, die leiden, arbeitslos sein müssen, mit unwürdigen Löhnen abgespeist, zu menschenunwürdigem Leben gepresst werden. Hier wie dort, mal weniger, mal doller.

Bei aller Informationsvielfalt: Es ist schwer, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist. Die Schwaden des bunten TV-Gesummses, das Herunterbeten der Agenturmeldungen durch angepasste und versaute Journalisten in der Konzernpresse – das alles vernebelt mehr als es erklärt. Soll es ja auch nicht. Und noch ein Beispiel. Kein Herrschender hatte je und hat heute ein Interesse daran, dass Hinz und Kunz begreifen, wie man sie über den Tisch zieht, auszieht, verschleisst. Das Verständnis müssen sich Hinz und Kunz schon selbst aneignen. Und wenn sie denken, sie wüssten es, dann haben sie meist schon verloren.

Denn erstens ist es komplizierter und zweitens als man denkt.

Also: Wie machen wir es denn dann?

Da Wahlen nur bedingt wirken, Angst vor Änderungen grösser sind, als bemaulte Zustände weiter zu ertragen, wenn ausgerechnet die, die das alles verursachen oder zulassen, die besten Umfragewerte erhalten — dann was? Ich denke, Streik ist ein Weg, der helfen könnte. Aber solange der einzige Schmerz der ist, die S-Bahn nicht gekriegt zu haben…

Einschub:

Da gerade Oktober war: Wer kennt Ursachen und Verlauf der Oktoberrevolution 1917 in Russland? Wer die der Französischen Revolution? Wer die Gründe des kläglichsten Scheiterns der deutschen 1848-er-Revolte? Und warum kennen wir sie nicht? Vielleicht, weil wir sie um Himmels Willen! nicht kennen sollen? Vielleicht liesse sich daraus etwas lernen. Aufstände und Revolutionen sind ja nicht in erster Linie deshalb gescheitert, weil ihre Ursachen irrelevant, ihre Anliegen und Ziele falsch oder gar unmoralisch waren. Im Gegenteil: Sie waren begründet! Dass Missbrauch sie pervertiert haben, das kennen wir auch aus unserer feinen, freien kapitalistischen Welt (»Eigentum verpflichtet«, Gemeinwohl…). Uns hat man so erzogen, und es wäre schön, wenn es denn zum gewünschten Ergebnis führen würde, dass Gewalt zu nichts führt, nicht führen darf und daher nicht vorkommen darf. Dass uns der Blick in die tägliche Presse etwas anderes zeigt, »des krieche’mr später«.

Da kann man also eigentlich nur warten, bis der Schmerz wieder mal stark genug geworden ist. Und bis es wieder zu spät ist? Und wieder andere uns zeigen, wo’s lang geht; wenn’s geht…

Aber es geht auch anders.

Aber davon erfahren wir nichts. Beispiel Dollarkrise. Dass die fabelhafte Weltwährung den Bach runter geht, war seit Jahren absehbar und ist jetzt evident. Man kann eben nicht nur noch die Füsse auf den Tisch legen, Kriege führen und andere bezahlen lassen.

Deshalb gab und gibt es immer mehr Bestrebungen, den Dollar als Leitwährung abzuschaffen, ehe die amerikanischen Bosse und ihre Handlanger noch mehr Unheil stiften. Ob und wie und wann das klappt, das wird sich zeigen. Denn es muss anders werden. Wozu soll eine starke Währung gut sein, wenn nicht dazu, dass es den Menschen gut geht?

Jedenfalls wollte Saddam Hussein das, Öl für Euro; ihm bekam das schlecht, seinem Volk noch schlechter; noch duldet Amerika keine Renitenz. Aber China, Japan, Iran, die EU, sie alle denken darüber ebenfalls verschärft nach.

Und in Südamerika löst man sich z.T. bereits von den Institutionen, mit denen die USA die Welt lenken: WTO, IWF. Sie haben eine eigene Bank (Bank des Südens«) als Finanzierungsinstrument der wirtschaftlichen Entwicklung im »Hinterhof der USA« gegründet und sind damit möglicherweise auf dem Weg zu einer eigenen gemeinsamen Währung (freitag Nr. 45, Seite 2). Das habe ich sonst noch nirgends gelesen…

Es gibt Menschen, die anders denken und handeln. Und es gibt sie auch hier. Um sie zu orten, müssen wir uns informieren, diskutieren, überzeugen – und dann »richtig« wählen. Und in Ermangelung glorreicher Lichtgestalten eben das »kleinere Übel« und nicht das grösstmögliche.

So könnte es vielleicht gehen. Aber ich gebe zu: Solange die BILD nicht nur zum Ausstopfen nasser Stiefel benutzt wird, solange stehen die Chancen nicht so gut….

Aber…

…damit es nicht allzu ernst und trostlos endet hier, noch was Besinnliches:

Dich will ich loben: Häßliches,
du hast so was Verläßliches.
Das Schöne schwindet, scheidet, flieht –

fast tut es weh, wenn man es sieht.

Wer Schönes anschaut, spürt die Zeit,
und Zeit meint stets: Bald ist‘s soweit.
Das Schöne gibt uns Grund zur Trauer.
Das Häßliche erfreut durch Dauer.

Robert Gernhardt

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2 Antworten zu Was man nicht ändern kann…

  1. reinard sagt:

    @Günther Sch.:
    Das ist wohl war. Das hat »der Chef« schon richtig gesehen damals, 1962 oder so. Er meinte »Buale, du wirsch’s amol schwer han in Läba mit deim Dickschädel«. So war’s/isch komma/isch no…

  2. Günther Sch. sagt:

    Hallo Reinard auf deiner Terrasse,
    eigentlich ist an dir mindestens ein renitenter Gemeinderat, wenn nicht ein Politiker verloren gegangen. Als ein solcher allerdings wärest du nicht so gut geeignet. Du bist zu aufmüpfig, bietest zu viel Angriffsfläche, bist nicht das Fähnlein im Winde.
    Gruß Günther

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