Montag, 30.12.2019, 23:28:05 :: Naxos
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Nach drei Tagen in dieser schönen Umgebung starteten wir zu unserem letzten grossen Schritt Richtung Griechenland, zur
5. Etappe
Noch im Delta besuchten wir die römische Ausgrabung von Halmyris, dann ging es der Schwarzmeerküste entlang über Babadag zur griechisch-römischen antiken Stadt Istria.

Am späten Nachmittag bereitete uns dann Constanţa eine herbe Enttäuschung: Bauwüste überall, die Schwarzmeerküste ohne passable Unterkunft. So nächtigten wir gezwungenermassen in Ovidiu im Zwickel der grossen Verkehrswege des südlichen Constanţas.
Am nächsten Morgen ging es nach Westen über die grosse Donaubrücke von Feteşti und weiter am Nordufer entlang nach Südwesten, ein Dorf am anderen, den Fluss bekamen wir kaum zu sehen, weite Felder liegen zwischen uns und der Donau. Nur hier und da bogen wir ab nach links, um einen Blick auf den breiten, zäh fliessenden Fluss zu werfen.
In Călăraşi machten wir Station und einen Tag später dann, nach Überqueren der Donau über eine der seltenen Brücken, in Russe auf der nun bulgarischen Seite des Flusses. Die Stadt war einst die Endstation des Orientexpress.
Sie ist, im Gegensatz zu den zuvor passierten Orten, auch eine wahrhaft imposante und lebhafte Stadt: Viel Jugendstil und südliches Flair, flanierende Menschen, springende Kinder, gut besuchte Cafés – alles war anders, nur durch die Überquerung der Donau! Unser schnuckeliges Hotel lag sehr zentral und barg praktischerweise ein asiatisches Restaurant im Hinterhof.
Unser Wunsch, diesmal Veliko Tarnovo, die ehemalige Hauptstadt und eine der schönsten bulgarischen Städte, zu besichtigen, scheiterte wieder: Wegen eines nationalen Feiertags am folgenden Tag waren alle Hotels ausgebucht. Wir gaben die Suche frustriert auf und fuhren weiter nach Nova Zagora in Ostrumelien.
Dort landeten wir zwar in einem grenzwertigen Hotel. Aber auch diese Stadt hatte ihren Reiz. Sozialistische Anwandlungen im Stadtpark, unerwartet grosse Gebäude, aber spärlicher Publikumsverkehr, obwohl doch die Befreiung Ostrumeliens von den Osmanen angeblich Anlass zum Feiertag war.
Und dann kam Griechenland in Sicht. Der letzte Grenzort Swilengrad ist wohl oder wird erst die bulgarische Spielhölle für Griechen: halbfertige Casinos und Hotelbunker säumten die Einfahrtstrasse.
Aber eine andere Überraschung gab’s am Ufer der Mariza, die wenig später in Griechenland zum Schicksalsfluss vieler Migranten aus der Türkei wird: dem Evros. Wir trafen jedenfalls auf die längste osmanisch Brücke Europas, die Mustafa-Pascha-Brücke von 1529. Sehr gut erhalten beziehungsweise renoviert, meist noch mit dem ursprünglichen Pflaster, spannte sie sich majestätisch über den Fluss.
Nach dem späteren Überqueren der Mariza auf der Schnellstrasse landeten wir nahe Orestiáda im griechischen Neos Pirgos, in einem kleinen Hotel mit grossem Schwimmbecken, was uns gut tat. Es war immer noch heiss, das Wasser daher sehr erfrischend.
Den Plan, Alexandropolis zu besuchen, liessen wir fallen und landeten am Nachmittag endlich am Mittelmeer in Fanari, einem kleinen Touristenort, in dem wir uns schon einmal 2006 sehr wohl gefühlt hatten. Zuvor hatte Reinard sowohl Pech als auch unverschämtes Glück, als ihm an einer Tankstelle, wo wir dringend tanken wollten, ein Schäferhund ans Bein ging, aber nur die Hose zerfetzte und einen kräftigen Bluterguss hinterliess.
Der nächste Tag hielt wieder einige Leckerbissen bereit: Nordwestlich von Kavala existiert noch eines der wenigen Wegstücke der alten römischen Via Egnatia, der antiken Verbindung zwischen Rom und Byzanz.
Und noch etwas weiter nördlich liegen die imposanten Reste von Philippi, die Stadt der ältesten christlichen Gemeindegründung in Griechenland. Müde und erschöpft von der Hitze suchten wir auf dem weiteren Weg über Amphipolis, wo wir den mächtigen Löwen grüssten, den mächtigen byzantinischen Turm bestaunten und die Reste der antiken Holzbrücke über den Strymon fanden (die Eichenbalken stecken bis heute noch in der heute trockenen Böschung!), nach einem Hotel, das wir schliesslich in Asprovalta fanden.
Es wurde immer heimatlicher. Am nächsten Tag umfuhren wir elegant Thessaloniki und liessen es uns auf »unserem« Campingplatz Agiannis auf der Ostseite des Golfs von Thessaloniki gut gehen: Man kennt uns seit Jahren, es gibt ein schönes grosses Schwimmbecken, schöne Sonnenaufgänge …
Am nächsten Morgen absolvierten wir zunächst die letzte antike Ausgrabungsstätte an einer Seitenstrasse der Via Egatia: Pydna liegt auf dem Weg nach Süden und überrascht uns total.
Die alles beherrschende Festung Platamonas erreichten wir in der grössten Mittagshitze und bestaunten sie von unten; für dieses mal. Einige Zeit später erreichten wir Kamena Vourla, ebenfalls ein angenehmer Touristenort, der uns schon mehrfach beherbergt hat. Wir fanden ein Hotel, dessen Besitzerin hier deutsche Hotelerfahrung umsetzt. Hoffentlich ist sie erfolgreich.
Nun war alles Weitere absehbar: Rafina am nächsten Tag, die Fähre nach Naxos und wir sind zuhause. Dachten wir. Nach einem kurzen Abstecher hinüber nach Chalkis auf Euböa (über die mit gerade einmal 40 Meter wohl kürzesten Brücke zu einer Insel) fuhren wir die schmalen Strassen nach Marathon und erreichten bei sehr starkem Wind Rafina.
Was wir zu befürchten begannen auf den letzten Kilometern, wird Wirklichkeit: Es geht keine Fähre. Wir gehörten damit zu den vielen Menschen, die nun festsitzen. Die Hotelzimmer waren bereits vergeben beziehungsweise sündhaft überteuert.
So fuhren wir wieder Richtung Marathon und fanden schliesslich im Hotel Mati in Nea Makri, ein Zimmer im 5. Stock mit Meerblick, 90 € m.F. Es gab ein grosses Schwimmbecken was uns der Sturm allerdings verwehrte – er blies das Wasser in hohen Fontänen aus dem Becken …
Dort verbrachten wir wartend drei schöne Tage, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass hier vor einem Jahr die schweren Brände fast alles vernichteten und die Menschen ins Meer trieben.
Am 15. September, genau nach fünf Monaten und 15.000 Kilometern, waren wir dann wieder zuhause.
Was wir vorfanden: Eine aufgeräumte Wohnung und unsere Miezi mit drei rein weissen Jungen, vielleicht gerade zwei, drei Wochen alt. Die turnen nun jeden Tag durch unser Leben hier in Galanado.
Schon ein paar Wochen später fand sich mein Bruder Wolfgang ein und wir verlebten sonnige Herbsttage, mit häufigem Schwimmen am Morgen und Wiedersehen mit Freunden aus nah und fern. April mit Ehemann und Sohn aus Kanada besuchten uns und Naxos wieder, vor einigen Jahren war April noch alleine hier gewesen. Auch Hanne und Thorkild aus Kopenhagen fanden sich – fast wie gewohnt – bei Maria ein. Ein froher gemeinsamer Abend war so gesichert.
Die beiden neuen Wohnzimmerfenster wurden eingesetzt. Wir werden sehen, wie teuer die anstehende Heizperiode werden wird, nun da der Nordwind nicht mehr ungebremst ins Zimmer dringen kann.
In Vilnius wurde der Sohn von Ugne und Medhi geboren, worauf – man könnte es fast meinen – insbesondere Tante Rasa herausragend stolz war.
Nun, kurz vor Weihnachten, kam Wolfgang wieder, bepackt mit mittlerweile in München liebevoll gebackenem Weihnachtsgebäck. Damit und mit seinen exzellenten Kochkünsten werde wir das Jahr beschliessen.
Wir wünschen Euch schöne und geruhsame Weihnachtstage und ein friedvolles Jahr 2020.
Lis, Reinard und Wolfgang.
Postscriptum: Es ist uns bewusst, dass Einige unerwähnt blieben, Freunde, die wir trafen, mit denen wir täglich umgehen, mit denen wir zuweilen nur spärlich kommunizieren. Aber auch jene, die wir nicht treffen konnten. In unseren Gedanken sind sie dennoch, denn Umgang mit Euch allen ist uns sehr wichtig. Das wird schmerzlich bewusst, wenn man einen lieben Freund zum letzten Mal getroffen und gesprochen hat.
Günther Schäfer, Reinards enger Schulfreund und Alexanders Patenonkel, hat diese Welt im September nach qualvoller Krankheit verlassen.